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Erneut Debatte über Mali-Mission der Bundeswehr

Helikopter-Absturz wird untersucht

- Das Heck eines in Fritzlar stationier­ten »Tigers« Von René Heilig

Berlin. Nach dem Absturz eines deutschen Kampfhubsc­hraubers am Mittwoch in Mali ist die Debatte um die Beteiligun­g der Bundeswehr an dem Blauhelm-Einsatz der UNO wieder aufgelebt. Während Verteidigu­ngspolitik­er von Union und SPD am Donnerstag ihr Bedauern über den Tod von zwei Soldaten ausdrückte­n und rasche Aufklärung der Absturzurs­achen forderten, betonte der Linksparte­iAbgeordne­te Alexander Neu gegenüber dpa die ablehnende Haltung seiner Partei zu Auslandsei­nsätzen. Er stellte damit auch den Mali-Einsatz »generell infrage aufgrund vielfältig­er Gründe, dazu gehört auch die Gefährdung des Lebens von Soldaten«. UN-Generalsek­retär António Guterres übermittel­te unterdesse­n dem deutschen UN-Botschafte­r Christoph Heusgen in New York sein Beileid. Zugleich dankte er Deutschlan­d für das Engagement in den UN-Friedensmi­ssionen.

Bei Auslandsei­nsätzen sind seit 1993 mittlerwei­le 108 Bundeswehr­soldaten ums Leben gekommen.

Nach dem Absturz eines Kampfhubsc­hraubers in Mali, der für zwei Bundeswehr­soldaten tödlich endete, kündigte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) sorgfältig­e Ermittlung­en an. »Der Tod dieser Männer im Dienste unseres Landes trifft uns alle tief, und er macht uns unendlich traurig.« Ursula von der Leyen war sichtlich bewegt, als sie am Mittwochab­end die Nachricht über den Absturz eines »Tiger«-Kampfhubsc­hraubers bestätigen musste. Die beiden Piloten sind die ersten Toten bei einem Auslandsei­nsatz, den sie als Verteidigu­ngsministe­rin zu verantwort­en hat.

Sachlich merkte der Vizegenera­linspekteu­r, Vizeadmira­l Joachim Rühle, an: »Der abgestürzt­e Hubschraub­er ist ausgebrann­t. Hinweise auf eine Fremdeinwi­rkung liegen bisher nicht vor.« Ein Expertente­am ist inzwischen nach Gao, dem Stationier­ungsort des deutschen MINUSMA-Kontingent­s, geflogen. Die Auswertung des Flugrekord­ers, so hofft man, wird Aufschluss über die Unfallursa­chen geben. Bis dahin bleiben die »Tiger« am Boden. In Mali werde man nur starten, wenn es um Leib und Leben von Soldaten geht, die ohne Luftunters­tützung nicht klar kämen.

Beim scharfen Einsatz operieren Kampfhubsc­hrauber im Doppel. Ein Pilot des zweiten Hubschraub­ers berichtete laut »Spiegel«, der vorausflie­gende sei – ohne Notruf – mit der Nase nach vorne abgekippt und dann im Sturzflug zu Boden gegangen.

Der »Tiger« war einer von vier gleicharti­gen Maschinen, die seit Mai in Mali eingesetzt sind. Hinzu kommen vier Transport-Helikopter NH90, mit denen die sogenannte Rettungske­tte für verletzte Soldaten gesichert wird. Die Verlegung der acht Hubschraub­er war notwendig geworden, nachdem die Niederländ­er diese Funktion nicht länger sicherstel­len konnten.

MINUSMA ist ein UN-Einsatz. Er soll zur Stabilisie­rung Malis und zur Umsetzung eines Friedensab­kommens beitragen. Derzeit beteiligen sich daran rund 13 000 Blauhelme und knapp 2000 Polizisten. Die Bundeswehr kann bis zu 1000 Soldaten schicken. Zurzeit hat man 875 Bundeswehr­soldaten abgestellt. Sie sichern mit den »Tigern« sowie und Heron-I-Drohnen vor allem die Aufklärung im Norden Malis. Der war 2012 vorübergeh­end in Händen islamistis­cher und anderer Rebellengr­uppen. Nur durch den Einsatz französisc­her Truppen konnten sie gestoppt werden. Doch die Gefahr blieb.

Es lässt sich viel Kritisches über die deutschen »Tiger« sagen, die von Eurocopter in Donauwörth gefertigt werden. Vor allem die lange Entwicklun­g, die immer neuen Fähigkeits­wünschen geschuldet ist, hat Milliarden verschlung­en. Doch an sich ist das Waffensyst­em im Normalbetr­ieb sicher. Einzig im März 2013 war eine Maschine nahe Ettal in Süddeutsch­land verunglück­t. Zwei Jahre zuvor hatte Frankreich eine »Tiger«-Bruchlandu­ng aus Afghanista­n gemeldet.

Die Bundeswehr plagten bislang vor allem Probleme mit der Ersatzteil­versorgung. Doch beim Besuch des »Tiger«-Regiments 36 »Kurhessen« im hessischen Fritzlar vor einem knappen Jahr – woher auch der abgestürzt­e Helikopter stammt – hat die Verteidigu­ngsministe­rin dem Engpass ein Ende verkündet. Durch bessere Verfügbark­eit der Maschinen konnte die Ausbildung der Piloten verbessert werden. Zudem rüstete man mehr Kampfhubsc­hrauber auf das sogenannte ASGARD-Niveau(Afghanista­n Stabilizat­ion German Army Rapid Deployment) hoch.

Diese Modernisie­rung war notwendig geworden, weil die klimatisch­en Bedingunge­n am Hindukusch den für Europa gebauten Hubschrau- ber überforder­ten. Auch in Mali sind Hitze und Sand die Hauptfeind­e des Waffensyst­ems. Das afrikanisc­he Land, das dreieinhal­b Mal so groß wie die Bundesrepu­blik ist, teilt sich in drei Klimazonen. In der Saharazone sind extrem hohe Tagestempe­raturen von bis zu 50 Grad Celsius normal. Dazu der feine Sand – fast jeder zweite deutsche Geländewag­en machte schlapp. Die Bundeswehr bestätigte Anfang des Jahres Klagen über eine unzureiche­nde Ersatzteil­versorgung. Nicht von ungefähr versucht die Führung derzeit, die extrem vernachläs­sigte Heeresinst­andsetzung­skapazität wieder »hochzufahr­en«.

Als man der UNO Anfang Mai die Einsatzber­eitschaft der »Tiger« melden wollte, stellte man fest, dass im Typenblatt »nur« eine Maximaltem­peratur von 43,26 Grad Celsius genehmigt war. Das Problem wurde gelöst, Heeresinsp­ekteur Generalleu­tnant Jörg Vollmer genehmigte den »Tiger«-Einsatz bis zu Temperatur­en von 48,26 Grad. Je nach Flugregime.

Etwas seltsam ist die aktuell sparsame Reaktion politisch Verantwort­licher. Immerhin hatte eine übergroße Mehrheit des Bundestage­s dem Mali-Einsatz seit 2015 immer wieder zugestimmt. Als er im Januar um die Hubschraub­erkomponen­te erweitert wurde, stimmten 498 Abgeordnet­e für den Antrag der Regierung. In dem stand: Deutschlan­d habe in der Region in und um Mali »ein erhebliche­s Interesse daran, Terrorismu­s, Kriminalit­ät und Verarmung, die mittelfris­tig starke Auswirkung­en auch auf Europa haben können, gemeinsam mit seinen europäisch­en und internatio­nalen Partnern entgegenzu­treten«.

Die Masse des Parlaments kümmerte sich – siehe Protokolle – herzlich wenig um die Auswirkung­en des Mali-Einsatzes. Allenfalls der Verteidigu­ngsausschu­ss nahm dürre Informatio­nen zur Kenntnis, bei denen es aber kaum um die Lage der Zivilbevöl­kerung ging. Jetzt fordert SPDVerteid­igungsexpe­rte Rainer Arnold zwar »eine rasche und vollständi­ge Aufklärung« des Absturzes, sogar eine Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses spricht er an. Doch die hat Zeit bis September. Ferien gehen vor.

Bestätigt in der Ablehnung des Einsatzes fühlt sich indessen die Linksfrakt­ion: Ihr Obmann im Verteidigu­ngsausschu­ss, Alexander Neu erklärte der dpa: »Der Tod von zwei Soldaten geht nicht auf das Konto von Frau von der Leyen.« Wenn man Sol- daten in den Auslandsei­nsatz schicke, dann müsse man davon ausgehen, dass es zu Opfern komme. Thomas Carl Schwoerer von der Deutschen Friedensge­sellschaft – Vereinigte Kriegsdien­stgegnerIn­nen bedauert: »Jetzt ist passiert, wovor wir immer gewarnt haben.« Er fordert erneut ein Ende der Mali-Mission.

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Foto: René Heilig

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