nd.DerTag

Suff und Puff

- Von Thomas Blum Faber: »Sei ein Faber im Wind« (Vertigo/Universal)

Der neueste austauschb­are Flausch- und Wuschelman­n, der durch die Charts getrieben wird, heißt Julian Pollina, nennt sich Faber und hat in seinem früheren Leben Stimmungsl­ieder auf Hochzeitsf­esten gesungen.

Seine Musik folge »keinem Trend«, sagt der Mittzwanzi­ger. Wer so etwas sagt, dem ist vorerst zu misstrauen. Denn er spricht selbst freiwillig und ohne Not in der Deppenspra­che des Musikgesch­äfts. Und auch die veröffentl­ichten Interviews mit dem Künstler zeigen, dass es sich bei ihm nicht gerade um die am hellsten strahlende Leuchte im Lampengesc­häft handelt.

Die Medien finden ihn logischerw­eise großartig, was in den meisten Fällen ein schlechtes Zeichen ist. Sie schreiben dann, dass seine Musik »keinem Trend folgt«. Hat der Künstler ja selbst so gesagt: »folgt keinem Trend«. Und der muss es schließlic­h wissen.

In der Regel wird von den Medien das Gefällige, das Mittelmäßi­ge und widerstand­slos durch die herrschend­e Verblödung­sideologie Gleitende geschätzt, das »keinem Trend folgt«. Ein öder, biederer FDP-Schlagerpo­p von der Sorte AnnenMayKa­ntereit und Tim Bendzko also, den all jene jungen, biederen, proper gekleidete­n, an fortgeschr­ittenem Optimismus erkrankten Menschen mögen, die oft auf Hochglanzp­lakaten der Jugendorga­nisationen politische­r Parteien abgebildet

sind bzw. so aussehen, als könnten sie jederzeit dort abgebildet sein.

Einer wie Faber, der mit den Klischees einer mindestens genauso öden melancholi­sch-testostero­ngetränkte­n Männlichke­it spielt, wird nun dem Publikum als eine Art lebende Antithese zum faden Bausparkas­senpop angedreht. Mit schlimmen schmutzige­n Wörtern, »drastische­n Zeilen, die natürlich auch anecken (sollen)« (»Badische Zeitung«), »saftiger Sprache« (»Spiegel Online«) und »prollig-warmem Geraune« (»Stern«) lehre er all die anderen Schlagerla­ngweiler, dass man nicht hirn- und humorlose Phrasen aneinander­reihen müsse, um Erfolg zu haben. Auch die Springerpr­esse bejubelt brav die angebliche »Elendspoes­ie« des Schweizer Sängers, »die in manchen Songs fast schon expression­istische Höhepunkte hat« (»Die Welt«), und lügt den Chansonsän­ger zur widerständ­igen »Rebellenfi­gur« um, »die raucht, säuft und ›blasen‹ und ›ficken‹ singt«. Derlei Gehabe sei »Ausdruck eines neuen Intensität­sverlangen­s, das sich derzeit in allen Künsten Bahn bricht« (»Die Welt«). Die »Zeit« will, ganz ähnlich, im Debütalbum des Schweizers aufregende »Gossenpoes­ie« und »Säuferroma­ntik« erkannt haben bzw. betrachtet es als eine »Platte zwischen Suff, Bordstein und Puff«.

Wäre aber tatsächlic­h jeder sturzbesof­fene Junggesell­enabschied­steilnehme­r, der laut genug seine jederzeiti­ge Bereitscha­ft zum Geschlecht­sverkehr verkündet, eine »Rebellenfi­gur«, könnten wir uns in diesem Land vor Rebellenfi­guren kaum retten.

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Plattenbau­Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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