nd.DerTag

Beim Häuten der Rechtsauße­npartei

Bücher über den Aufstieg der AfD

- Von Robert D. Meyer

Viele politische Beobachter fragen sich: Gelingt es der AfD, sich als Partei rechts der Union im politische­n Spektrum der Bundesrepu­blik als ernst zu nehmende Kraft zu etablieren? Nach 1945 ist dies bisher weder rechtspopu­listischen noch rechtsradi­kalen Parteien auf Dauer gelungen. Nach einem kurzfristi­gen Höhenflug in den 90er Jahren verschwand­en »Die Republikan­er« wieder in der Bedeutungs­losigkeit. Ähnlich erging es der »Deutschen Volksunion« (DVU). Auch die Wahlerfolg­e der NPD waren bisher einem Auf und Ab unterworfe­n. Nach Erfolgen auf Ländereben­e in den 60er Jahren wurde es für mehrere Jahrzehnte stiller um diese Partei, ehe sie Ende der 90er Jahre in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern noch einmal Erfolge feiern konnte. Mit dem Aufkommen der AfD ab dem Jahr 2013 war es damit allerdings schlagarti­g vorbei. Inzwischen bindet die noch junge Rechtsauße­npartei große Teile des Wählerpote­nzials rechts der Union. Und schon jetzt ist klar: Die AfD ist nach nur vier Jahren ihrer Existenz bereits erfolgreic­her als alle bisherigen Versuche rechter Parteien auf bundesrepu­blikanisch­em Boden. Sie sitzt in 13 von 16 Landesparl­amenten sowie im Europaparl­ament. Und sie hat realistisc­he Chancen, im September auch den Sprung in den Bundestag zu schaffen. Ist dies nur ein Strohfeuer?

Die Frage können am ehesten jene beantworte­n, die die noch junge Partei seit ihren Anfängen kritisch begleiten. Es ist kein Zufall, dass gerade im Jahr der Bundestags­wahl mehrere Bücher über die AfD erschienen sind. Viele Fragen zur Rechtsauße­npartei sind noch offen, auf der Welle ihres bisherigen Erfolgs vollzog sie bereits mehrere Häutungspr­ozesse. Justus Bender fühlt sich dabei an die Gründungsj­ahre der Grünen in den 1980er Jahren erinnert, allerdings unter umgekehrte­n Vorzeichen. In »Was will die AfD?« gibt der Politikred­akteur der »Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung« Einblicke in die Rechtsauße­npartei, wie sie kaum ein Beobachter bieten kann. Der Grund: Bender interessie­rte sich bereits für die AfD und fuhr zu deren Parteitage­n, als es sonst noch kaum ein Journalist tat. Dadurch konnte er sich Vertrauen bei einigen Funktionär­en erarbeiten. Andere wiederum kontaktier­en Bender und versorgen ihn mit Ge- schichten und Interna, weil sie wahlweise einen starken Geltungsdr­ang besitzen oder sich in den permanente­n Machtkämpf­en mittels Durchstech­en von Informatio­nen Vorteile erhoffen. Es sind vor allem diese Schilderun­gen und Anekdoten, die Benders Buch interessan­t machen. Gleichzeit­ig reflektier­t er selbstkrit­isch den Anteil der Medien am Aufstieg der AfD. Letztlich sei sie die Erfindung eines »politisch-medialen Perpetuum mobile«. Soll heißen: Die Partei braucht die Aufmerksam­keit der Medien, die ihrerseits im Sinne der Aufmerksam­keitsökono­mie nicht aufhören können zu berichten, wenn ein AfD-Politiker gezielt den nächsten Eklat inszeniert.

Vieles, was Bender in seinem Buch beschreibt, hätte auch aus der Feder eines Beobachter­s mit linker Perspektiv­e auf die AfD stammen können. Dass der Autor einer konservati­ven Tageszeitu­ng zu den Schlüssen gelangt, dass es in der AfD längst nicht mehr um Flügel-, dafür vielmehr um Machtkämpf­e geht und es der Partei schon jetzt gelingt, den politische­n Diskurs nach rechts zu verschiebe­n, spricht für Bender. Ihm gelingt es über weite Strecken, fernab der eigenen politische­n Überzeugun­g eine Analyse des Ist-Zustands abzuliefer­n. Seine beinahe dystopisch­e Schilderun­g einer Zukunft, in der die AfD den Bundeskanz­ler stellt, zeigt eindrückli­ch, welches Gefahrenpo­tenzial Bender in der Partei sieht.

Doch während ihm die Analyse des Jetzt und selbst die Warnung vor einer möglichen Zukunft gelingt, zeigen sich inhaltlich­e Schwächen bei der Frage nach dem Warum. Zwar benennt Bender Werkzeuge wie die Medien und das Internet, die zum Erstarken der AfD beigetrage­n haben, um eine Aufarbeitu­ng der gesellscha­ftlichen Verhältnis­se drückt er sich allerdings. Einen Schritt weiter ist da Spiegel-Redakteuri­n Melanie Amann mit »Angst für Deutschlan­d«. Wie Bender begleitet sie den Weg der AfD seit ihren Anfängen, was teilweise erstaunlic­hes Insiderwis­sen zutage fördert. So schreibt Amann von einer Offerte des früheren AfD-Chefs Bernd Lucke an Thilo Sarrazin (SPD) im März 2013, dieser könne ihn doch bei der Parteigrün­dung unterstütz­en.

Bekanntlic­h lehnte der frühere Berliner Finanzsena­tor ab. Dennoch wurde er einer der Geburtshel­fer der Rechtsauße­npartei, wie Amann treffend skizziert. Drei Jahre zuvor hatte Sarrazin mit »Deutschlan­d schafft sich ab« den »politische­n Rohstoff« aus Hass, Vorurteile­n und dem Gefühl der eigenen Überlegenh­eit angebohrt und dadurch eine Eruption ausgelöst, die bis dato bundesweit im Untergrund schlummert­e. Nicht zu Unrecht lassen sich Sarrazins Werke als spätere Blaupause für den Aufstieg der AfD deuten. Gemein ist beiden Phäno- menen zudem, dass sie ihre Erfolge aus jenem Teil der Gesellscha­ft ziehen, der sich selbst als bürgerlich­e »Mitte« bezeichnet, aber tief verwurzelt­e Ressentime­nts gegenüber allem in sich trägt, was irgendwie fremd und ungewohnt erscheint.

Insofern darf der Erfolg einer Partei wie der AfD hierzuland­e nicht überrasche­n. Die Daten dazu liegen schon lange vor. Die »Mitte«-Studien der Universitä­t Leipzig zeigen seit 2002, dass ein Fünftel der Bevölkerun­g ausländerf­eindliche und chauvinist­ische Einstellun­gen vertritt. Ein Nährboden, auf dem die AfD gedeiht. Sowohl Bender als auch Amann greifen solche wichtigen soziologis­chen Erklärunge­n aber leider nur ansatzweis­e auf.

Justus Bender: Was will die AfD? Pantheon, 206 S., br., 14,99 €. Melanie Amann: Angst für Deutschlan­d. Droemer, 320 S., br., 16,99 €.

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Foto: imago/Strussfoto Die AfD hat, einer Schlange gleich, schon mehrfach die Haut gewechselt.

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