Beim Häuten der Rechtsaußenpartei
Bücher über den Aufstieg der AfD
Viele politische Beobachter fragen sich: Gelingt es der AfD, sich als Partei rechts der Union im politischen Spektrum der Bundesrepublik als ernst zu nehmende Kraft zu etablieren? Nach 1945 ist dies bisher weder rechtspopulistischen noch rechtsradikalen Parteien auf Dauer gelungen. Nach einem kurzfristigen Höhenflug in den 90er Jahren verschwanden »Die Republikaner« wieder in der Bedeutungslosigkeit. Ähnlich erging es der »Deutschen Volksunion« (DVU). Auch die Wahlerfolge der NPD waren bisher einem Auf und Ab unterworfen. Nach Erfolgen auf Länderebene in den 60er Jahren wurde es für mehrere Jahrzehnte stiller um diese Partei, ehe sie Ende der 90er Jahre in den ostdeutschen Bundesländern noch einmal Erfolge feiern konnte. Mit dem Aufkommen der AfD ab dem Jahr 2013 war es damit allerdings schlagartig vorbei. Inzwischen bindet die noch junge Rechtsaußenpartei große Teile des Wählerpotenzials rechts der Union. Und schon jetzt ist klar: Die AfD ist nach nur vier Jahren ihrer Existenz bereits erfolgreicher als alle bisherigen Versuche rechter Parteien auf bundesrepublikanischem Boden. Sie sitzt in 13 von 16 Landesparlamenten sowie im Europaparlament. Und sie hat realistische Chancen, im September auch den Sprung in den Bundestag zu schaffen. Ist dies nur ein Strohfeuer?
Die Frage können am ehesten jene beantworten, die die noch junge Partei seit ihren Anfängen kritisch begleiten. Es ist kein Zufall, dass gerade im Jahr der Bundestagswahl mehrere Bücher über die AfD erschienen sind. Viele Fragen zur Rechtsaußenpartei sind noch offen, auf der Welle ihres bisherigen Erfolgs vollzog sie bereits mehrere Häutungsprozesse. Justus Bender fühlt sich dabei an die Gründungsjahre der Grünen in den 1980er Jahren erinnert, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. In »Was will die AfD?« gibt der Politikredakteur der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« Einblicke in die Rechtsaußenpartei, wie sie kaum ein Beobachter bieten kann. Der Grund: Bender interessierte sich bereits für die AfD und fuhr zu deren Parteitagen, als es sonst noch kaum ein Journalist tat. Dadurch konnte er sich Vertrauen bei einigen Funktionären erarbeiten. Andere wiederum kontaktieren Bender und versorgen ihn mit Ge- schichten und Interna, weil sie wahlweise einen starken Geltungsdrang besitzen oder sich in den permanenten Machtkämpfen mittels Durchstechen von Informationen Vorteile erhoffen. Es sind vor allem diese Schilderungen und Anekdoten, die Benders Buch interessant machen. Gleichzeitig reflektiert er selbstkritisch den Anteil der Medien am Aufstieg der AfD. Letztlich sei sie die Erfindung eines »politisch-medialen Perpetuum mobile«. Soll heißen: Die Partei braucht die Aufmerksamkeit der Medien, die ihrerseits im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie nicht aufhören können zu berichten, wenn ein AfD-Politiker gezielt den nächsten Eklat inszeniert.
Vieles, was Bender in seinem Buch beschreibt, hätte auch aus der Feder eines Beobachters mit linker Perspektive auf die AfD stammen können. Dass der Autor einer konservativen Tageszeitung zu den Schlüssen gelangt, dass es in der AfD längst nicht mehr um Flügel-, dafür vielmehr um Machtkämpfe geht und es der Partei schon jetzt gelingt, den politischen Diskurs nach rechts zu verschieben, spricht für Bender. Ihm gelingt es über weite Strecken, fernab der eigenen politischen Überzeugung eine Analyse des Ist-Zustands abzuliefern. Seine beinahe dystopische Schilderung einer Zukunft, in der die AfD den Bundeskanzler stellt, zeigt eindrücklich, welches Gefahrenpotenzial Bender in der Partei sieht.
Doch während ihm die Analyse des Jetzt und selbst die Warnung vor einer möglichen Zukunft gelingt, zeigen sich inhaltliche Schwächen bei der Frage nach dem Warum. Zwar benennt Bender Werkzeuge wie die Medien und das Internet, die zum Erstarken der AfD beigetragen haben, um eine Aufarbeitung der gesellschaftlichen Verhältnisse drückt er sich allerdings. Einen Schritt weiter ist da Spiegel-Redakteurin Melanie Amann mit »Angst für Deutschland«. Wie Bender begleitet sie den Weg der AfD seit ihren Anfängen, was teilweise erstaunliches Insiderwissen zutage fördert. So schreibt Amann von einer Offerte des früheren AfD-Chefs Bernd Lucke an Thilo Sarrazin (SPD) im März 2013, dieser könne ihn doch bei der Parteigründung unterstützen.
Bekanntlich lehnte der frühere Berliner Finanzsenator ab. Dennoch wurde er einer der Geburtshelfer der Rechtsaußenpartei, wie Amann treffend skizziert. Drei Jahre zuvor hatte Sarrazin mit »Deutschland schafft sich ab« den »politischen Rohstoff« aus Hass, Vorurteilen und dem Gefühl der eigenen Überlegenheit angebohrt und dadurch eine Eruption ausgelöst, die bis dato bundesweit im Untergrund schlummerte. Nicht zu Unrecht lassen sich Sarrazins Werke als spätere Blaupause für den Aufstieg der AfD deuten. Gemein ist beiden Phäno- menen zudem, dass sie ihre Erfolge aus jenem Teil der Gesellschaft ziehen, der sich selbst als bürgerliche »Mitte« bezeichnet, aber tief verwurzelte Ressentiments gegenüber allem in sich trägt, was irgendwie fremd und ungewohnt erscheint.
Insofern darf der Erfolg einer Partei wie der AfD hierzulande nicht überraschen. Die Daten dazu liegen schon lange vor. Die »Mitte«-Studien der Universität Leipzig zeigen seit 2002, dass ein Fünftel der Bevölkerung ausländerfeindliche und chauvinistische Einstellungen vertritt. Ein Nährboden, auf dem die AfD gedeiht. Sowohl Bender als auch Amann greifen solche wichtigen soziologischen Erklärungen aber leider nur ansatzweise auf.
Justus Bender: Was will die AfD? Pantheon, 206 S., br., 14,99 €. Melanie Amann: Angst für Deutschland. Droemer, 320 S., br., 16,99 €.