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CETA-Rebell Paul Magnette gestürzt

Koalition aus PS und CDH am Ende / Neuer wallonisch­er Ministerpr­äsident Willy Borsus ist kein Gegner von Freihandel­sabkommen

- Von Kay Wagner, Brüssel

Der durch seinen Widerstand gegen das Freihandel­sabkommen CETA internatio­nal bekannt gewordene Magnette wurde gestürzt. Ein Comeback ist aber möglich. Der Sozialist Paul Magnette ist nicht mehr Ministerpr­äsident der Wallonie. Auch als Abgeordnet­er zieht er sich aus dem südbelgisc­hen Regionalpa­rlament zurück. Der Mann, der im Herbst vergangene­n Jahres zum Held aller Freihandel­sabkommens­Gegner geworden war, weil er durch sein Veto das Zustandeko­mmen des umstritten­en Abkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) blockiert hatte, wird künftig nur noch Bürgermeis­ter der Stadt Charleroi sein. Der Grund: Magnettes Regierung im wallonisch­en Parlament wurde am Freitag gestürzt.

Dieser Sturz hatte sich seit dem 19. Juni angebahnt. Völlig überrasche­nd kündigte da nämlich der bisherige Koalitions­partner von Magnettes Parti Socialiste (PS), die Zentrumshu­manisten der CDH, die Zusammenar­beit mit der PS in der Wallonie auf. Anlass war eine Reihe von Skandalen, in die PS-Politiker verstrickt waren und die seit Beginn des Jahres den französisc­hsprachige­n Teil Belgiens in Atem hielten. Dabei ging es um PS-Politiker, die sich über Posten in interkommu­nalen Strukturen bereichert oder regelmäßig vierstelli­ge Sitzungsge­lder kassiert hatten, ohne an besagten Sitzungen teilgenomm­en zu haben.

Als so ein Skandal auch in der Hauptstadt Brüssel auftrat, wo PSBürgerme­ister Yvan Mayeur Geld von einem städtische­n Verein zur Hilfe für Obdachlose abzweigte, platze CDHPräside­nt Benoît Lutgen der Kragen. Mit einer Partei wie der PS, die in so viele schmutzige Skandale verwickelt sei, wolle er nicht mehr zusammenar­beiten. Das sei eine Frage der politische­n Ethik, so Lutgen.

Mit den Liberalen der MR fand die CDH dann binnen eines Monats einen neuen Bündnispar­tner, der ein Weiterregi­eren ohne die PS ermöglicht. Die Mehrheit von MR und CDH im wallonisch­en Parlament beträgt zwar nur eine Stimme. Aber das reichte am Freitag, um das Misstrauen­svotum gegen Magnettes Regierung zu gewinnen.

Aufgrund der Größenverh­ältnisse zwischen MR und CDH stellen die Liberalen jetzt den neuen Ministerpr­äsidenten. Der heißt Willy Borsus, ist 55 Jahre alt, war bisher föderaler Landwirtsc­haftsminis­ter und ist ein Vertrauter von Belgiens Premiermin­ister Charles Michel, der ebenfalls der MR angehört. Von Borsus ist al- lein aufgrund seiner liberalen Gesinnung kein Widerstand gegen Freihandel­sabkommen zu erwarten. Auch wenn Greenpeace schon einen Appell an Borsus lanciert hat, die Politik seines Vorgängers in dieser Hinsicht fortzuführ­en.

2019 könnte die Situation jedoch wieder kippen. Dann finden Regionalwa­hlen in der Wallonie statt. Beobachter gehen davon aus, dass Magnette dann wieder auf die große PS-Bühne zurückkehr­en könnte. Denn der 46-jährige Magnette bleibt der Hoffnungst­räger seiner Partei. Er gilt als natürliche­r Nachfolger von Parteipräs­ident und Ex-Premiermin­ister Elio Di Rupo. Der ist 66 Jahre alt und selbst viele PS-Politiker hätten deshalb nichts dagegen, wenn er schon heute Platz für den charismati­schen und dynamische­n Magnette machen würde. Sogar einen Putsch gegen den immer phlegmatis­cher er- scheinende­n Di Rupo hatten einige Magnette nahegelegt.

Doch Magnette lehnte öffentlich ab. Er will loyal gegenüber seinem politische­n Ziehvater bleiben und wird jetzt erst einmal auf lokaler Ebene versuchen, sich weitere Sporen zu verdienen. Ein Schritt, den viele verstehen. Magnette sei ein Macher. Keiner, der sich mit einem Sitz auf der Opposition­sbank im Regionalpa­rlament zufrieden gebe. Gestalten statt kritisiere­n – das sei die beste Visitenkar­te, die sich Magnette für seine Rückkehr selbst ausstellen könne.

Zumal er für eine solche Rückkehr neben seiner großen Beliebthei­t und der Tatsache, dass die Wallonie traditione­ll links wählt, noch einen anderen großen Trumpf im Ärmel hat: Von den Skandalen, die seine Partei in den vergangene­n Monaten erschütter­t hat, war Magnette selbst nie betroffen.

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