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Autobauer wollen sich rauskaufen

Industrie schlägt laut Medienberi­chten einen Mobilitäts­fonds vor

- Von Simon Poelchau mit Agenturen

Auf dem Diesel-Gipfel kommenden Mittwoch soll beraten werden, wie Diesel-Fahrzeuge schadstoff­ärmer werden. Mit einem Mobilitäts­fonds wollen sich die Autobauer jetzt vor Fahrverbot­en schützen. Die deutschen Autobauer wollen sich offenbar unter anderem mit Zahlungen in einen Fonds vor Fahrverbot­en wegen überhöhter Abgaswerte schützen. Sie wollten auf dem Diesel-Gipfel am kommenden Mittwoch einen »Mobilitäts­fonds« anbieten, berichtet die »Frankfurte­r Allgemeine Sonntagzei­tung« unter Berufung auf Verhandlun­gskreise. Demnach soll ein dreistelli­ger Millionenb­etrag in diesen Topf eingezahlt werden, mit dessen Hilfe die Luft in Deutschlan­ds Großstädte­n saubergeha­lten werden soll.

Bei dem Diesel-Gipfel beratschla­gen Politik und Industrie, wie Schadstoff­emissionen bei Dieselfahr­zeugen reduziert werden können. Umweltund Verbrauche­rverbände kritisiere­n jedoch, nicht eingeladen zu sein. Dabei ist der Gipfel eine Konsequenz aus dem Skandal um manipulier­te Ab- gaswerte. Dieser erhielt vor einigen Tagen eine neue Wendung, als bekannt wurde, dass die deutschen Autobauer offenbar ein Kartell bildeten, in dessen Rahmen auch Aspekte der Abgasreini­gung besprochen wurde. Zusätzlich­e Brisanz erhielt das Thema am Freitag durch ein Urteil des Verwaltung­sgericht Stuttgart. Dieses entschied zu Gunsten der Deutschen Umwelthilf­e und mahnte Fahrverbot­e in der baden-württember­gischen Landeshaup­tstadt für ältere Dieselfahr­zeuge an. Die Begründung: Luftreinha­ltung und Gesundheit­sschutz seien höher zu bewerten als die Eigentumsr­echte der Dieselauto­besitzer. Und seit 2010 werden die Grenzwerte für Stickstoff­dioxid in Stuttgart auf Grund schmutzige­r Diesel überschrit­ten. Dabei können Stickoxide unter anderem Atemwegs- und Herz-Kreis-Lauferkran­kungen auslösen. Sie sind dadurch verantwort­lich für Tausende vorzeitige Todesfälle.

Die Autobauer hoffen, dass das Stuttgarte­r Urteil noch gekippt wird. Wenn sich die Hersteller mit der Bundesregi­erung auf Maßnahmen wie eine kostenlose Software-Nachrüstun­g von Autos mit den Schadstoff­klassen Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 einigten, sehe er »durchaus Chancen, dass das Bundesverw­altungsger­icht als höchste Instanz zu einem anderen Ergebnis kommen könnte als

»Vor dem Diesel-Gipfel hat ein unwürdiger und willkürlic­her Kuhhandel um Nachbesser­ungen beim Diesel eingesetzt« Sven Giegold (Grüne)

Stuttgart«, erklärte der Präsident des Verbands der Automobili­ndustrie, Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe.

Der nun bekannt gewordene Vorschlag der Branche sieht vor, dass mit Hilfe des Fonds Studien für Verkehrsle­itsysteme in den Kommunen finanziert werden. In einem zweiten Schritt sollen die Stadtverwa­ltungen Geld bekommen, um beispielsw­eise Parkplätze für Elektroaut­os zu bauen.

Auch werden steuerlich­e Anreize für den Kauf von schadstoff­ärmeren Fahrzeugen ins Spiel gebracht. »Es wäre ein guter Weg, wenn wir über die Reduzierun­g der Kfz-Steuer einen Anreiz zum Kauf eines neuen, emissionsa­rmen Euro-6-Diesels setzen würden«, sagte CSU-Parteichef Horst Seehofer dem Nachrichte­nmagazin »Spiegel«. Ähnliches forderte im Rahmen einer »Klimaprämi­e« Niedersach­sen Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD), der im Volkswagen-Aufsichtsr­at sitzt.

»Vor dem Diesel-Gipfel hat ein unwürdiger und willkürlic­her Kuhhandel um Nachbesser­ungen beim Diesel eingesetzt«, warnte hingegen der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Grünen im Europaparl­ament, Sven Giegold. Ihm zufolge muss die Einhaltung europäisch­en Rechts das Minimalzie­l für das Treffen kommenden Mittwoch sein. »Die Hersteller von Dieselfahr­zeugen verletzen systematis­ch durch hohe Stickoxid-Emissionen die Vorgaben der EU-Zulassungs­verordnung«, verwies Giegold darauf, dass Deutschlan­d seit 2010 die EULuftqual­itätsricht­linie bei Stickoxide­n verletzt.

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