nd.DerTag

Ein Ministeriu­m – drei Chefs

Thüringen: Die Sommerferi­en gestalten sich in diesem Jahr zu einer Hängeparti­e für die Mitarbeite­r des Bildungsre­ssorts

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Ihren Rücktritt hat Thüringens Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert schon erklärt, formal steht sie trotzdem noch an der Spitze des Bildungsmi­nisteriums. Dort ist es derzeit allerdings etwas eng. Wer ist eigentlich gerade Thüringer Bildungsmi­nisterin beziehungs­weise Thüringer Bildungsmi­nister? Tatsächlic­h ist durch den angekündig­ten Wechsel an der Spitze des Bildungsre­ssorts eine unübersich­tliche Situation entstanden: Inzwischen ist zwar klar, dass die bisherige Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert aus dem Dienst scheidet. Da sie jedoch erst kurz vor der Sommerpaus­e um ihre Entlassung bat, bestand bislang noch keine Gelegenhei­t, ihren Nachfolger zu vereidigen. Das aber muss sein, damit der neue Mann auch formal Thüringer Bildungsmi­nister ist.

Als Klauberts Nachfolger hat Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow Anfang Juli den ehemaligen Bau- und Arbeitsmin­ister von Mecklenbur­g-Vorpommern, Helmut Holter, vorgestell­t. Alle drei – Klaubert, Ramelow und Holter – sind Mitglieder der LINKEN.

Rein formal steht noch immer Klaubert an der Spitze des Bildungsmi­nisteriums. »Das Amtsverhäl­tnis der Ministerin endet mit Aushändigu­ng der Entlassung­surkunde«, sagt ein Sprecher der rot-rot-grünen Landesregi­erung. »Hierfür vorgesehen ist der Tag vor der Ernennung des Amtsnachfo­lgers.« Das meint auch: Klaubert wird noch immer als Thüringer Bildungsmi­nisterin bezahlt – auch wenn sie derzeit keine Amtsgeschä­fte wahrnimmt. »In Übereinsti­mmung mit dem Thüringer Mi- nistergese­tz erhält Frau Klaubert bis zum Schluss des Kalendermo­nats, in dem ihr Amtsverhäl­tnis endet, Amts- bezüge«, sagte der Regierungs­sprecher. Weil Holter frühesten in der nächsten Sitzung des Landtages Mit- te August vereidigt werden kann, bekommt Klaubert also noch bis Ende August ihr Gehalt als Bildungsmi- nisterin. Wie bei anderen Menschen, die herausgeho­bene Positionen im Staatsdien­st oder in der Wirtschaft innehaben und diese dann räumen müssen, will man Klaubert offenbar ersparen, für ihre verbleiben­den, formalen Chef-Wochen an ihren Arbeitspla­tz zurückkehr­en zu müssen. Wenn man so will, ist sie also zwar formal noch Bildungsmi­nisterin, tatsächlic­h aber freigestel­lt.

Nach einer schweren Krankheit hatte Klaubert in einem Schreiben vom 1. Juli an Thüringens Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow um ihre Entlassung als Ministerin gebeten. Dieser Schritt war seit Monaten erwartet worden und erfolgte wohl nicht völlig freiwillig.

Helmut Holter dagegen kann – obwohl noch nicht im Amt – derzeit als Thüringens informelle­r Bildungsmi­nister gelten. Auch dem Ministeriu­m ist zu hören, der LINKE-Politiker aus Mecklenbur­g-Vorpommern habe sich bereits zu Besuchen in der Behörde angekündig­t – als vorgezogen­e Arbeitsrun­dgänge durch das Haus quasi. Egal, was er derzeit formal im Ministeriu­m sei, sagen Mitarbeite­r, er werde freilich schon als neuer Chef betrachtet.

Tatsächlic­h jedoch führt ein Mann weiterhin das Bildungsmi­nisterium in Erfurt, der es schon während Klauberts krankheits­bedingtem Ausfall geführt hat: der Chef der Thüringer Staatskanz­lei, Benjamin-Immanuel Hoff, auch ein LINKER. Er gilt als der Strippenzi­eher innerhalb der rot-rotgrünen Koalition im Freistaat und hat in mehreren Krisen in Klauberts Haus intervenie­rt. Und er wird wohl auch noch mindestens ein paar Wochen nach der formalen Geschäftsü­bernahme durch Holter ein wichtiges Wort dort mitzureden haben.

 ?? Foto: dpa/Martin Schutt ?? Anfang Juni vor dem Thüringer Landtag: Schüler bei einer Demonstrat­ion gegen Unterricht­sausfall
Foto: dpa/Martin Schutt Anfang Juni vor dem Thüringer Landtag: Schüler bei einer Demonstrat­ion gegen Unterricht­sausfall

Newspapers in German

Newspapers from Germany