nd.DerTag

Entwicklun­g mit Cashew

Afrikanisc­he Kleinbauer­n in fünf Ländern profitiere­n bei Entwicklun­gsprojekt vom Anbau bis zur Vermarktun­g

- Von Philipp Hedemann

Kleinbauer­n in fünf Ländern Afrikas profitiere­n bei Entwicklun­gsprojekt vom Anbau bis zur Vermarktun­g von den Kernen des Cashew-Baums.

Der weltweite Cashew-Konsum steigt jedes Jahr um zehn Prozent. In Europa sind die wohlschmec­kenden Kerne teuer. In Afrika können sie Bauern aus der Armut befreien. Das liegt auch an Bill Gates.

»Diese Bäume haben mein Leben verändert. Sie haben mich zu einer glückliche­n Frau gemacht«, sagt Victoria Ataa und tätschelt liebevoll die Rinde des Baumes, der ihr in der Mittagshit­ze Schatten spendet. Die ghanaische Bäuerin sitzt im Dorf Congo unter einem Cashew-Baum. Seine süßen Früchte haben sie nicht nur aus bitterer Armut befreit, sie haben sie auch zu einem Vorbild für Tausende andere Bäuerinnen und Bauern in Afrika gemacht. Jetzt wollen deutsche Entwicklun­gshelfer und die Stiftung von Software-Milliardär Bill Gates dafür sorgen, dass weitere Hunderttau­sende afrikanisc­he Bauern vom globalen Cashew-Boom profitiere­n.

Vor 14 Jahren wusste Victoria Ataa oft nicht, wie sie ihre fünf Kinder sattkriege­n sollte. Immer häufiger blieb der Regen aus, immer niedriger fielen ihre Ernten aus. Nur den Bäumen mit den seltsamen nierenförm­igen Früchten schien die Trockenhei­t nichts anzuhaben. Doch niemand wusste etwas mit den sonderbare­n Kernen anzufangen. Nur ein paar »komische Inder« kauften den Kindern die Nüsse für einen Spottpreis ab. Während »die komischen Inder« mit dem Export der Nüsse in ihre Heimat reich wurden, hatten Bäuerinnen wie Victoria Ataa kaum etwas vom Cashew-Hunger der Inder.

In dieser Zeit traf Ataa zufällig den Vorsitzend­en der Vereinigun­g der ghanaische­n Cashew-Bauern. Er berichtete ihr, dass die weltweite Nachfrage jedes Jahr um rund zehn Prozent steige, die Preise sogar noch viel schneller und Ghana eines der besten Anbaugebie­te der Welt sei.

Die Bäuerin versuchte, alles rauszufind­en, was man in Ghana über Cashew-Nüsse in Erfahrung bringen konnte. Viel war es nicht. Denn Ataa gehörte in ihrem Land zu den Cashew-Pionierinn­en. Doch nicht nur Ghana machte wenig aus seinen Cashew-Bäumen. Auch in vielen anderen afrikanisc­hen Staaten vergammelt­en die Nüsse auf den Feldern, während Nachfrage und Preise weltweit explodiert­en.

Um das brachliege­nde Potenzial zu nutzen, wurde im Jahr 2009 die Competitiv­e Cashew Initiative (ComCashew) ins Leben gerufen. Im Auftrag des deutschen Entwicklun­gsminister­iums, der Bill & Melinda GatesStift­ung sowie von über 30 an zuverlässi­gen Cashew-Lieferkett­en in- teressiert­en Firmen wie dem Lebensmitt­el-Riesen Kraft Heinz setzt die Gesellscha­ft für internatio­nale Zusammenar­beit (GIZ) das fast 50 Millionen Euro schwere Programm in Benin, Burkina Faso, der Côte d’Ivoire, Mosambik und Ghana um.

Das Projekt, das 2016 mit dem Innovation­spreis des Entwicklun­gsausschus­ses der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) ausgezeich­net wurde, zielt auf die gesamte Wertschöpf­ungskette ab: von der Produktion über die Verarbeitu­ng und die Vermarktun­g bis hin zum Export. »Davon haben in den Teilnehmer­staaten bislang über 400 000 Bauern profitiert. Viele von ihnen konnten ihr Einkommen aus Cashew so verdoppeln«, erklärt Rita Weidinger. Die Passauer Agrarökono­min leitet das Programm in Ghana.

Auch Victoria Ataa ist von ComCashew-Mitarbeite­rn beraten worden. »Früher habe ich fünf bis acht Säcke geerntet, in diesem Jahr wa- ren es 16«, erzählt die 66-Jährige stolz. Es sind jetzt nicht nur mehr Nüsse, sie verkauft sie auch zu einem höheren Preis. »Früher haben die Händler uns übers Ohr gehauen. Aber jetzt wissen wir, was unsere Nüsse wert sind und lassen uns nicht mehr über den Tisch ziehen«, sagt die Witwe selbstbewu­sst. Während sie heute umgerechne­t bis zu 90 Cent für ein Kilo ungeschält­e Nüsse erhält, waren es vor zehn Jahren noch neun Cent.

Mit dem Geld konnte sie ihren ältesten Sohn auf die Universitä­t in Accra schicken. Dort studierte er Landwirtsc­haft. Für seine Mutter hat er seitdem immer wieder denselben Tipp: »Mama, pflanze mehr CashewBäum­e. Ihnen gehört die Zukunft.« Victoria Ataa hörte auf ihren Sohn. Mittlerwei­le empfängt sie oft Bauern, die von ihr wissen wollen, wie auch sie ihre Ernte steigern können.

Die Setzlinge hat sie in der Cashew-Forschungs­station im nahegelege­n Wenchi gekauft. Dort experiment­ieren Arthur Robert und seine Mitarbeite­r in Laboren und auf 365 Hektar Versuchsfl­äche, wie man die Cashew-Bäume durch Kreuzung ertragreic­her und widerstand­sfähiger machen kann. So ist es den Wissenscha­ftlern ohne den Einsatz von Gentechnik gelungen, die durchschni­ttliche Ernte pro Baum von sechs auf mittlerwei­le bis zu 35 Kilo zu steigern. Doch der Leiter der Forschungs­station will noch mehr erreichen: »Durch den Klimawande­l wird es in Ghana in Zukunft wahrschein­lich weniger regnen. Für den CashewBaum ist das jedoch kein Problem. Er kommt gut mit Trockenhei­t klar. Unser Ziel ist es daher, Ghana zu einem der internatio­nalen Top-Produzente­n zu machen.«

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Weltweit werden rund drei Millionen Tonnen Cashew-Nüsse produziert. Aus Ghana kommen gerade mal 65 000 Tonnen. Der Großteil stammt derzeit aus Indien, Vietnam und Brasilien. Yoseph Yeung will dazu beitragen, dass Ghana den Abstand zu den drei großen CashewNati­onen weiter verringert. Der in Shanghai geborene Manager leitet den zweitgrößt­en Cashew-Betrieb in Ghana. Zu Hochzeiten arbeiten bis zu 1200 Menschen für das dänische Unternehme­n.

»Die Bezahlung ist o.k. Trotzdem will ich hier nicht ewig Nüsse sortieren«, sagt Ernestina Adu-Gayanfuah, die für das dänische Unternehme­n arbeitet. Die 22-Jährige möchte Krankensch­wester werden. Doch für die Ausbildung braucht sie Geld, und die Cashew-Fabrik ist für sie die beste Möglichkei­t, die Studiengeb­ühren zu verdienen.

Möglicherw­eise werden bald auch Nüsse, die auf Victoria Ataas Feldern wachsen, durch die Finger der Arbeiterin gleiten. Die resolute Bäuerin hat sich fest vorgenomme­n, ihre Ernte weiter zu steigern. Victoria Ataa: »Ich wollte früher nicht, dass meine Kinder Bauern werden. Aber seitdem wir Cashew anbauen, habe ich nichts mehr dagegen.«

 ?? Foto: fotolia ??
Foto: fotolia
 ?? Foto: Philipp Hedemann ?? Ernestina Adu-Gayanfuah (22) sortiert in der Cashew-Fabrik in Mim (Ghana) Kerne nach Größe, Farbe und Qualität.
Foto: Philipp Hedemann Ernestina Adu-Gayanfuah (22) sortiert in der Cashew-Fabrik in Mim (Ghana) Kerne nach Größe, Farbe und Qualität.

Newspapers in German

Newspapers from Germany