Entwicklung mit Cashew
Afrikanische Kleinbauern in fünf Ländern profitieren bei Entwicklungsprojekt vom Anbau bis zur Vermarktung
Kleinbauern in fünf Ländern Afrikas profitieren bei Entwicklungsprojekt vom Anbau bis zur Vermarktung von den Kernen des Cashew-Baums.
Der weltweite Cashew-Konsum steigt jedes Jahr um zehn Prozent. In Europa sind die wohlschmeckenden Kerne teuer. In Afrika können sie Bauern aus der Armut befreien. Das liegt auch an Bill Gates.
»Diese Bäume haben mein Leben verändert. Sie haben mich zu einer glücklichen Frau gemacht«, sagt Victoria Ataa und tätschelt liebevoll die Rinde des Baumes, der ihr in der Mittagshitze Schatten spendet. Die ghanaische Bäuerin sitzt im Dorf Congo unter einem Cashew-Baum. Seine süßen Früchte haben sie nicht nur aus bitterer Armut befreit, sie haben sie auch zu einem Vorbild für Tausende andere Bäuerinnen und Bauern in Afrika gemacht. Jetzt wollen deutsche Entwicklungshelfer und die Stiftung von Software-Milliardär Bill Gates dafür sorgen, dass weitere Hunderttausende afrikanische Bauern vom globalen Cashew-Boom profitieren.
Vor 14 Jahren wusste Victoria Ataa oft nicht, wie sie ihre fünf Kinder sattkriegen sollte. Immer häufiger blieb der Regen aus, immer niedriger fielen ihre Ernten aus. Nur den Bäumen mit den seltsamen nierenförmigen Früchten schien die Trockenheit nichts anzuhaben. Doch niemand wusste etwas mit den sonderbaren Kernen anzufangen. Nur ein paar »komische Inder« kauften den Kindern die Nüsse für einen Spottpreis ab. Während »die komischen Inder« mit dem Export der Nüsse in ihre Heimat reich wurden, hatten Bäuerinnen wie Victoria Ataa kaum etwas vom Cashew-Hunger der Inder.
In dieser Zeit traf Ataa zufällig den Vorsitzenden der Vereinigung der ghanaischen Cashew-Bauern. Er berichtete ihr, dass die weltweite Nachfrage jedes Jahr um rund zehn Prozent steige, die Preise sogar noch viel schneller und Ghana eines der besten Anbaugebiete der Welt sei.
Die Bäuerin versuchte, alles rauszufinden, was man in Ghana über Cashew-Nüsse in Erfahrung bringen konnte. Viel war es nicht. Denn Ataa gehörte in ihrem Land zu den Cashew-Pionierinnen. Doch nicht nur Ghana machte wenig aus seinen Cashew-Bäumen. Auch in vielen anderen afrikanischen Staaten vergammelten die Nüsse auf den Feldern, während Nachfrage und Preise weltweit explodierten.
Um das brachliegende Potenzial zu nutzen, wurde im Jahr 2009 die Competitive Cashew Initiative (ComCashew) ins Leben gerufen. Im Auftrag des deutschen Entwicklungsministeriums, der Bill & Melinda GatesStiftung sowie von über 30 an zuverlässigen Cashew-Lieferketten in- teressierten Firmen wie dem Lebensmittel-Riesen Kraft Heinz setzt die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) das fast 50 Millionen Euro schwere Programm in Benin, Burkina Faso, der Côte d’Ivoire, Mosambik und Ghana um.
Das Projekt, das 2016 mit dem Innovationspreis des Entwicklungsausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgezeichnet wurde, zielt auf die gesamte Wertschöpfungskette ab: von der Produktion über die Verarbeitung und die Vermarktung bis hin zum Export. »Davon haben in den Teilnehmerstaaten bislang über 400 000 Bauern profitiert. Viele von ihnen konnten ihr Einkommen aus Cashew so verdoppeln«, erklärt Rita Weidinger. Die Passauer Agrarökonomin leitet das Programm in Ghana.
Auch Victoria Ataa ist von ComCashew-Mitarbeitern beraten worden. »Früher habe ich fünf bis acht Säcke geerntet, in diesem Jahr wa- ren es 16«, erzählt die 66-Jährige stolz. Es sind jetzt nicht nur mehr Nüsse, sie verkauft sie auch zu einem höheren Preis. »Früher haben die Händler uns übers Ohr gehauen. Aber jetzt wissen wir, was unsere Nüsse wert sind und lassen uns nicht mehr über den Tisch ziehen«, sagt die Witwe selbstbewusst. Während sie heute umgerechnet bis zu 90 Cent für ein Kilo ungeschälte Nüsse erhält, waren es vor zehn Jahren noch neun Cent.
Mit dem Geld konnte sie ihren ältesten Sohn auf die Universität in Accra schicken. Dort studierte er Landwirtschaft. Für seine Mutter hat er seitdem immer wieder denselben Tipp: »Mama, pflanze mehr CashewBäume. Ihnen gehört die Zukunft.« Victoria Ataa hörte auf ihren Sohn. Mittlerweile empfängt sie oft Bauern, die von ihr wissen wollen, wie auch sie ihre Ernte steigern können.
Die Setzlinge hat sie in der Cashew-Forschungsstation im nahegelegen Wenchi gekauft. Dort experimentieren Arthur Robert und seine Mitarbeiter in Laboren und auf 365 Hektar Versuchsfläche, wie man die Cashew-Bäume durch Kreuzung ertragreicher und widerstandsfähiger machen kann. So ist es den Wissenschaftlern ohne den Einsatz von Gentechnik gelungen, die durchschnittliche Ernte pro Baum von sechs auf mittlerweile bis zu 35 Kilo zu steigern. Doch der Leiter der Forschungsstation will noch mehr erreichen: »Durch den Klimawandel wird es in Ghana in Zukunft wahrscheinlich weniger regnen. Für den CashewBaum ist das jedoch kein Problem. Er kommt gut mit Trockenheit klar. Unser Ziel ist es daher, Ghana zu einem der internationalen Top-Produzenten zu machen.«
Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Weltweit werden rund drei Millionen Tonnen Cashew-Nüsse produziert. Aus Ghana kommen gerade mal 65 000 Tonnen. Der Großteil stammt derzeit aus Indien, Vietnam und Brasilien. Yoseph Yeung will dazu beitragen, dass Ghana den Abstand zu den drei großen CashewNationen weiter verringert. Der in Shanghai geborene Manager leitet den zweitgrößten Cashew-Betrieb in Ghana. Zu Hochzeiten arbeiten bis zu 1200 Menschen für das dänische Unternehmen.
»Die Bezahlung ist o.k. Trotzdem will ich hier nicht ewig Nüsse sortieren«, sagt Ernestina Adu-Gayanfuah, die für das dänische Unternehmen arbeitet. Die 22-Jährige möchte Krankenschwester werden. Doch für die Ausbildung braucht sie Geld, und die Cashew-Fabrik ist für sie die beste Möglichkeit, die Studiengebühren zu verdienen.
Möglicherweise werden bald auch Nüsse, die auf Victoria Ataas Feldern wachsen, durch die Finger der Arbeiterin gleiten. Die resolute Bäuerin hat sich fest vorgenommen, ihre Ernte weiter zu steigern. Victoria Ataa: »Ich wollte früher nicht, dass meine Kinder Bauern werden. Aber seitdem wir Cashew anbauen, habe ich nichts mehr dagegen.«