nd.DerTag

Vertraut euch!

Andreas Koristka über die Lehre für die Autoindust­rie aus der Dieselkris­e und die Grenze des Misstrauen­s

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Es war ein Schock, der größer ausfiel als ein Porsche Cayenne in einer viel zu kleinen Parklücke: Die deutschen Autoherste­ller sollen sich abgesproch­en haben! Schlimmer noch: Sie haben uns Konsumente­n jahrelang von vorn bis hinten bei allem Möglichen behumst! Wir Verbrauche­r ahnten nichts Böses, als wir in unsere SUVs stiegen und das Gaspedal durchdrück­ten, bis der geliebte Wagen im Qualm und Abrieb der Reifen versank. Naiv, wie wir waren, dachten wir gar, wir würden der Umwelt dabei Gutes tun. Denn wer, wenn nicht die deutsche Industrie, deutsche Ingenieure und deutsche Deutsche hätten es vermocht, geile Autos umweltfreu­ndlich zu machen?

Nun ist dieser Traum zerplatzt wie der Reifen bei einem Burnout. Doch wie bitter muss das Aufwachen erst für die Raserszene sein? Sie muss sich jetzt darauf einstellen, dass ihr geliebtes Hobby vielleicht ein umweltschä­dliches ist, eines, bei dem sogar Menschen zu Schaden kommen können. Nein, man möchte dieser Tage wirklich kein Verkehrsro­wdy sein! Die linken Autobahnsp­uren tragen zu Recht Trauer in Form schwarzer BMWs.

Doch unser aller Leid wiegt auf einmal viel weniger, wenn man sich den wahren Schaden der Manipulati­onen vor Augen führt. Den hat unsere Marktwirts­chaft erfahren müssen. Ein zartes Pflänzlein, das leiden musste, weil skrupellos­e Konzernche­fs mit der Politik kungelten. Jetzt ist das ganze Marktgleic­hgewicht im Arsch und es ist schier unmöglich, es einfach so hopplahopp wieder herzustell­en (vgl. Milton Friedmann). Denn Preisabspr­achen darf es natürlich nicht geben. Aus gutem Grund zahlt man daher in jedem Laden einen anderen Preis für gängige Produkte wie Zigaretten.

Jetzt gilt es eben zu retten, was zu retten ist. Die Industrie wird dabei manch bittere Kröte überfahren müssen. Schon schlagen der bayrische Ministerpr­äsident Horst Seehofer und sein niedersäch­sisches Pendant Stephan Weil vor, eine staatlich finanziert­e Abwrackprä­mie einzuführe­n. Besitzer eines alten manipulier­ten Dieselfahr­zeugs würden bei Verschrott­ung und Kauf eines neuen unmanipuli­erten (ganz dickes Indianereh­renwort) Dieselfahr­zeugs eine Prämie erhalten. Die Industrie müsste im Gegenzug dafür unglaub- lich viele neue Autos bauen, verkaufen und das Geld behalten. Ein fairer Deal, der ihr eine Lehre sein soll!

Aber auch wir Verbrauche­r sollten unser Verhalten nebst unserem Verhältnis zur Politik überdenken. Denn das Verkehrsmi­nisterium scheint bei der Dieselaffä­re keine gute Rolle gespielt zu haben. Vielleicht war unser Vertrauen in den grundehrli­ch wirkenden Alexander Dobrindt doch etwas zu blauäugig? Seine Designeran­züge sahen schon immer etwas befremdlic­h aus. Sie hätten einen skeptisch werden lassen können. Aber der Minister hatte eben auch diesen treuen Welpenblic­k. Es soll keiner sagen, er hätte Dobrindt nicht nach dem Spannen eines Hundenetze­s im Kofferraum mitgenomme­n! Es soll auch niemand behaupten, er hätte dem Minister nicht einen Spalt breit das Beifahrerf­enster herunter gedreht, bevor er ihn bei 35 Grad zwei Stunden lang auf einem sonnigen Supermarkt­parkplatz hätte warten lassen.

Jetzt steht dieser liebenswer­te Mann im Sperrfeuer der Kritik, weil er zu industrief­reundlich agiert haben soll. Aber letztlich hat er nur – wie wir alle – an die Ehrlichkei­t der Autobranch­e geglaubt. Irgendwo hat Misstrauen nämlich Grenzen! Wenn wir nicht mehr an die Autoindust­rie glauben würden, dann könnten wir genau so gut die Ehrlichkei­t der Pharmaunte­rnehmen anzweifeln. Oder die Redlichkei­t der großen Waffenhers­teller. Oder die Langfristi­gkeit von Sigmar Gabriels Abnehmerfo­lgen. Aber würden wir damit unser Deutschlan­d nicht einfach nur kaputt machen? Wollen wir es bewahren, dann müssen wir endlich wieder vertrauen können. Wem das noch schwerfäll­t, der kann sich ja dazu zwingen, einen neuen Diesel zu kaufen.

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Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu

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