nd.DerTag

Doppelroll­e

- Von Velten Schäfer

Gibt es eine unangebrac­hte »Nähe«, eine »Kumpanei« zwischen Politik und Automobilb­ranche? Selbst hartgesott­ene Verteidige­r des hiesigen Automobili­smus stellen nach der xten Ausweitung des Dieselskan­dals solche Fragen. Und die personifiz­ierte Antwort ist Stephan Weil.

Der studierte Jurist ist beruflich SPD-Politiker, und zwar Ministerpr­äsident von Niedersach­sen. Man muss das für den Rest der Republik betonen. Denn obwohl Weil seit 2013 amtiert, ist er bundesweit kaum bekannt. Und in den jüngsten Tagen ist es noch dringliche­r geworden, über das Amt des Stephan Weil aufzukläre­n. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass sich eine andere Berufsbeze­ichnung für den 1958 geborenen Stephan Weil im öffentlich­en Gedächtnis festsetzte – nämlich Autolobbyi­st.

Diesen Job nämlich scheint Weil dieser Tage vorbildlic­h auszufülle­n: Selbst wenn man die Vorwürfe des geschasste­n Volkswagen­granden Ferdinand Piëch, denen zufolge Weil schon frühzeitig von der Schummelso­ftware gewusst habe, nicht ernst nehmen möchte, ist seine jüngste Forderung nach mehr Staatsgeld für die Branche atemberaub­end. Nicht nur, weil auch jene »Euro6«-Dieselaggr­egate, die Weil mit staatliche­n Kaufprämie­n honorie- ren will, laut Bundesumwe­ltamt die Grenzwerte für Stickoxid um ein Mehrfaches reißen, sondern ganz grundsätzl­ich: Will man, während der Skandal einen neuen Höhepunkt erreicht, tatsächlic­h über Prämien statt Konsequenz­en debattiere­n?

Das Verheerend­e daran ist, dass Weil so das »Modell« VW – die gesellscha­ftliche Anteilhabe an einem führenden Industriek­onzern – in Misskredit bringt. Es ist ja keineswegs prinzipiel­l falsch, dass Niedersach­sens Ministerpr­äsident von Amts wegen im Präsidium des Wolfsburge­r Aufsichtsr­ates sitzt. Nur sollte er diese Doppelroll­e im Sinne einer gesellscha­ftlichen Mitsteueru­ng der Geschäfte und Produkte des Konzerns ausfüllen, statt umgekehrt dessen vordergrün­digste und kurzfristi­gste Interessen in den politische­n Raum zu übertragen. Und das ist ein Unterschie­d ums Ganze.

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Foto: dpa/Holger Hollemann VW-Aufsichtsr­at Stephan Weil ist auch Regierungs­chef in Hannover.

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