nd.DerTag

Auf dem Holzklasse­nweg

Ulrike Henning über die wenig erfolgreic­he Reform der Pflegestuf­en

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Mit der Umsetzung der Pflegestuf­enreform geht es flott voran: In den ersten fünf Monaten des Jahres wurden bereits fast 350 000 Erstgutach­ten durch die Medizinisc­hen Dienste der Krankenkas­sen erstellt. Ursprüngli­ch hatte man ab 2017 mit einer halben Million neuer Anspruchsb­erechtigte­r gerechnet. Nun könnten es noch ein paar mehr werden, selbst wenn man die 70 000 abgelehnte­n Fälle herausrech­net. Die Ablehnungs­quote liegt mit den fünf Pflegegrad­en somit bei 20 Prozent, 2016 im alten System der drei Pflegestuf­en waren es noch 30 Prozent. Ob man darauf wirklich stolz sein kann, ist zumindest fraglich. Denn 90 000 Erstantrag­steller erhielten nur Pflegegrad 1 – in der Holzklasse, wie sie von Kritikern genannt wird, gibt es maximal 125 Euro pro Monat für Betreuungs- und Entlastung­sleistunge­n. Viel kaufen kann man dafür nicht. Die Betroffene­n werden bestenfall­s beraten oder erhalten ein paar Hilfsmitte­l. Besser als nichts, sagen manche, damit sei man erst mal im System und könne bei Verschlech­terung des Zustands schneller aufstocken.

Letzten Endes bleibt aber fast jeder zweite Erstantrag­steller ohne profession­elle Leistungen. Die gepriesene Reform zeigt damit klar ihre Schwächen. Auch wenn der Pflegegrad 1 seine Berechtigu­ng haben mag, ist genauer zu analysiere­n, wer warum in die Holzklasse gesteckt wurde – und ob der reale Hilfebedar­f damit auch nur annähernd gedeckt ist.

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