nd.DerTag

Mehr Misstrauen bitte

Velten Schäfer über journalist­ische Lehren aus den Hamburger Krawallen

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Fraglos kam es während G 20 in Hamburg zu schweren Ausschreit­ungen. Es ist sogar wichtig, das zu wiederhole­n, um in bestimmten Kreisen falsche Schlüsse zu vermeiden. Denn mit dem Rauch der Barrikaden haben sich auch viele der Geschichte­n verzogen, mit denen die Offizielle­n den exzeptione­llen Charakter jener Nächte zu belegen trachteten.

So steht wohl fest, dass es keinen »Hinterhalt« auf einem Dach gab, von dem aus Polizisten mit Brandsätze­n und anderem tödlich bedroht wurden. Wohl das Gros der »476« (15. Juli), »600« (19. Juli) oder »709« (26. Juli) verletzten Polizisten litt an Dehydratio­n oder erkrankte im Vorfeld. Während fraglich ist, wie vielen der 35 noch Einsitzend­en ein Prozess gemacht werden kann, häufen sich Berichte über Polizeigew­alt.

Journalist­en auch großer Medien fragen tapfer weiter nach. Doch ist das apokalypti­sche Gesamtbild nicht mehr zu korrigiere­n, das oft in den selben Medien kurz nach den Ereignisse­n verbreitet wurde und sich längst im politische­n Raum verselbsts­tändigt hat. Dabei ist es spätestens seit dem Gipfel der G 8 in Heiligenda­mm anno 2007 ein bekanntes Muster, dass konfrontat­ive Sicherheit­sstrategie­n später mit überzogene­n Meldungen begründet werden. Wenn Journalist­en also etwas aus »Hamburg« lernen können, ist es mehr Misstrauen – auch gegenüber Polizeispr­echern.

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