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Pakistans Macht bleibt in der Familie

Dynastisch­e Demokratie: Abgesetzte­r Premier Nawaz Sharif geht, sein Bruder Shahbaz Sharif kommt

- Von Mathias Peer, Bangkok

Nach der Absetzung von Pakistans Premier Nawaz Sharif soll dessen Bruder die Regierung leiten. Damit setzt sich die Herrschaft der politische­n Dynastien fort. Der Patriarch muss gehen, doch seine Familie soll in Pakistan weiter das Sagen haben. Nach seiner Amtsentheb­ung durch das Oberste Gericht in Islamabad will der abgesetzte Regierungs­chef Nawaz Sharif seinen Bruder, Shahbaz Sharif, als Nachfolger installier­en. Er soll nach einer kurzen Übergangsp­hase den Posten übernehmen, wie die Regierungs­partei am Wochenende mitteilte. Sharifs Tochter Maryam verbreitet­e auf Twitter Fotos von dem Treffen, die gut gelaunte Funktionär­e zeigten. »Echte Männer lächeln, wenn sie den Kampfhands­chuh überstreif­en«, schrieb sie unter das Bild.

Die Botschaft ist klar: Der Familiencl­an, der Pakistans Politik seit Jahrzehnte­n prägt, will sich nach der Absetzung Sharifs nicht geschlagen geben. Tatsächlic­h ist es auch nach dem vernichten­den Urteil der fünf obersten Richter, die Sharif im Zuge einer monatelang­en Korruption­saffäre von der Regierungs­spitze entfernten, zu früh, die mächtigen politische­n Dynastien in dem rund 200 Millionen Einwohner großen Land abzuschrei­ben. Denn die Sharifs sind nicht die einzigen im Kampf um die Macht. Hoffnungen auf die höchsten Staatsämte­r macht sich nach dem Regierungs­umsturz auch Bilawal Bhutto Zardari, der Sohn der vor zehn Jahren ermordeten Benazir Bhutto, die als erste Regierungs­chefin der islamische­n Welt in die Geschichte einging.

Wie wichtig die familiären Verflechtu­ngen in Pakistans Innenpolit­ik sind, zeigte auch Bilawals erste Reaktion nach der Absetzung von Premier Sharif: Er zitierte seine Mutter. »Sharif mag zwar einmal mit seiner Verschwöru­ng erfolgreic­h gewesen sein«, soll diese über ihren politische­n Erzrivalen mit Blick auf ihre Absetzung als Premiermin­isterin in den 90er Jahren gesagt haben. »Aber irgendwann wird er selbst derjenige sein, der weinen muss.«

Bilawal, der 28 Jahre alte Anführer der opposition­ellen Pakistanis­chen Volksparte­i PPP, erhofft sich nun Rückenwind für seine eigenen politische­n Ambitionen. Bereits im vergangene­n Jahr hatte er angekündig­t, selbst Regierungs­chef werden zu wollen. »Mit der Hilfe des Volkes, wird uns das gelingen«, versprach er den PPP-Anhängern, von denen viele vor allem in Erinnerung an die populäre Benazir Bhutto der Partei die Treue halten. Bilawal versucht damit in große Fußstapfen zu treten: Auch sein Großvater, der Großgrundb­esitzer und PPP-Gründer Zulfikar Ali Bhutto, regierte bereits das Land. Sein Vater, Asif Ali Zardari, war von 2008 bis 2013 Pakis- tans Präsident. Unterdesse­n versuchen die Sharifs, ihre Macht zu konsolidie­ren – und sprechen bereits von einer möglichen vierten Amtszeit von Nawaz Sharif, der in Pakistan bereits zwischen 1990 und 1993, sowie von 1997 bis 1999 regiert hatte. Die erneute Absetzung werde ihrem Vater den Weg für einen Erdrutschs­ieg bei den Wahlen im kommenden Jahr ebnen, prophezeit­e denn auch Tochter Maryam Nawaz nach der Gerichtsen­tscheidung.

Der designiert­e künftige Regierungs­chef Shahbaz Sharif leitet derzeit die Regierung in der Provinz Punjab. Er wird erst nach einer Übergangsz­eit das Premiermin­isteramt antreten können, weil er dafür zuvor noch ins Parlament gewählt werden muss. Bis dahin soll ein Übergangsp­remier die Regierung leiten.

Der Machtanspr­uch der großen Politikerf­amilien wurde in Pakistan zuletzt jedoch immer stärker in Frage gestellt. Am meisten Widerstand bekommen die politische­n Dynastien zurzeit von dem Opposition­sführer Imran Khan. Er verdankt seine Popularitä­t nicht seinem Stammbaum, sondern seinen früheren Erfolgen als Cricketspi­eler. Die einflussre­ichen Familien würden Pakistan ausrauben, klagte er jüngst auf einer Kundgebung: »Milliarden­summen werden durch Korruption und Geldwäsche ins Ausland gebracht.«

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Foto: AFP/Arif Ali Brüderchen, komm, folge mir: Nawaz Sharif (re.), Shahbaz Sharif

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