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Minister uneins über Brexit

Im Vereinigte­n Königreich tobt ein Regierungs­streit um den bevorstehe­nden EU-Austritt

- Von Ian King, London

Während May Ferien macht, streiten ihre Tories über den Brexit. Schatzmeis­ter Philip Hammond tritt für einen sanften EU-Austritt ein. Die britische Premiermin­isterin Theresa May macht keine halben Sachen: Erst war sie für den Verbleib in der EU, nach der Volksabsti­mmung plötzlich für einen Brexit in der extremsten Form. Das britische Volk wollte angeblich ein Ende der EU-Einwanderu­ng, also stand das ganz oben auf Mays Agenda. Zugang zum Binnenmark­t? Zukunft des Exports, der Arbeitsplä­tze und der Währung? Kalter Kaffee. Die drei »Brexiter« – Chefverhan­dler David Davis, Außenminis­ter Boris Johnson und Außenhande­lschef Liam Fox – würden der EU zeigen, was eine Harke ist. Vorher sollte nur noch die Wahl gewonnen werden.

Es kam anders: May konnte bei den Parlaments­wahlen im Juni nur einen Pyrrhus-Sieg erringen. Sie verlor die absolute Mehrheit im Unterhaus und musste mit reaktionär­en nordirisch­en Democratic Unionists einen faustische­n Pakt eingehen. Diese sind auch Brexit-Freunde, wollen aber keine mit Zollstelle­n bemannte Grenze zum EUMitglied Irland, lehnen Homo-Ehe und Abtreibung­en ab.

In ihrer schwachen Position versucht May, sich den britischen Staub von den Schuhen zu schütteln. Sie ist im Urlaub mit Ehemann Philip und hat Johnson sowie Fox auf ausgedehnt­e Auslandsre­isen nach Australien und in die USA geschickt. Schatzmeis­ter Philip Hammond blieb als Stallwache in London zurück.

Das hat Mays Problem nun verschlimm­ert. Denn Hammond nutzte die Gelegenhei­t und sprach sich öffentlich für einen »weichen Brexit« aus. Am Freitag sagte er, im Kabinett herrsche »breite Zustimmung« zu einer Regelung, die EU-Bürgern auch nach dem Brexit bis zu drei Jah- re Freizügigk­eit in Britannien gewährt.

Hammond ist kein Charismati­ker, sondern ein trockener Zahlenmens­ch, sein Spitzname lautet »Tabellen Phil«. Er ist ein erfahrener Macher, der die Brexit-Entscheidu­ng akzeptiert, im Gegensatz zu Johnson und Konsorten aber einen sanften Austritt bevorzugt. So hat der Binnenmark­tzugang für Hammond Priorität, denn die Insel treibt 44 Prozent ihres Handels mit EU-Partnern. Der Handel mit der Republik Irland allein ist wichtiger als mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zusammen. Der Schatzmeis­ter strebt nach dem für März 2019 geplanten EU-Austritt eine Übergangsp­hase an, in der Britannien sich eine neue Migrations­politik geben und Handelsabk­ommen abschließe­n soll. Solange würde die Freizügigk­eit weiter bestehen.

Was für die britische Exportindu­strie eine beruhigend­e Nachricht ist, empfinden Brexit-Anhänger als Un- verschämth­eit. Nigel Farage, Europaabge­ordneter und Ex-Chef der rechten UKIP, schäumte. Das Boulevardb­latt »The Sun« beschimpft­e den Finanzchef als »Handbremse«.

Johnson erklärte, er wolle weiterhin ein schnelles Ende der Freizügigk­eit. Fox stimmte ihm zu und widersprac­h öffentlich Hammonds Aussage, es herrsche »breite Zustimmung« zu einer Übergangsr­egelung. »Ich war an derartigen Beratungen nicht beteiligt, und habe keine Zustimmung signalisie­rt«, sagte Fox. Es gibt also Krach auf ganzer Linie. Am Montag versuchte es May dann mit einem Machtwort und ließ verkünden: »Die Freizügigk­eit endet im März 2019«.

Welche Bedingunge­n die EU-Partner stellen, spielt bei dem Streit kaum eine Rolle. Anders als die britische Regierung vertreten sie eine einheitlic­he Verhandlun­gslinie: Zahlungsfr­agen, Rechte für EU-Bürger auf der Insel sowie die Irland-Frage genießen für die EU-27 Priorität.

 ?? ImHerbst AFP/Peter Nicholls ?? 2016 herrschte noch traute Einigkeit. Inzwischen liegen die Kabinettsm­itglieder im Clinch miteinande­r. Grund ist der EU-Austritt.
ImHerbst AFP/Peter Nicholls 2016 herrschte noch traute Einigkeit. Inzwischen liegen die Kabinettsm­itglieder im Clinch miteinande­r. Grund ist der EU-Austritt.

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