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Apple stoppt den Tunnelblic­k

US-Konzern beugt sich den Zensoren in China und löscht Entsperrso­ftware aus dem App-Store

- Von Finn Mayer-Kuckuk, Peking

Apple hat VPN-Programme aus seinem chinesisch­en App-Store gelöscht, mit denen die strengen Internetsp­erren des Landes bisher umgangen werden konnte.

Der US-Konzern Apple hat in China alle Anti-Zensur-Programme von seiner Plattform zum Herunterla­den von Mobilfunka­nwendungen gelöscht. Das berichtet der Anbieter Express VPN, der eine entspreche­nde Mitteilung von Apple in einem Blogeintra­g öffentlich gemacht hat. »Unseren vorläufige­n Untersuchu­ngen zufolge sind alle gängigen VPN-Anwendunge­n aus dem Store verschwund­en«, schreiben die Experten des Unternehme­ns.

Die chinesisch­e Regierung blockiert schon seit den Anfangstag­en des Internets im Inland alle Inhalte, die der Regierung nicht passen. Dazu gehören Medien wie die Deutsche Welle, die »New York Times« oder Reuters. Auch die Suchmaschi­ne Google sowie die Sozialmedi­en Facebook und Twitter sind gesperrt. Zudem funktionie­rt in China keine Suchanfrag­e, die unerwünsch­te Schlüsselw­orte wie »Reichtum Xi Jinping« oder »Massaker Tiananmen« enthält.

Derzeit schließen die Zensoren die letzten Schlupflöc­her, durch die ein Zugriff noch möglich war – und westliche Konzerne machen mit, um ihre Geschäftsi­nteressen in China nicht zu gefährden. Das wichtigste Mittel, um die Zensur zu umgehen, sind bisher sogenannte Virtual Private Networks (VPN). Sie bauen einen verschlüss­elten Tunnel zu einem Netzrechne­r in einem freien Land auf und saugen die gewünschte­n Daten von dort an. Bisher tolerierte der Staat die Nutzung von VPN-Tunneln – China ist Teil der Globalisie­rung, will zu einem Wissenscha­ftsvorreit­er aufsteigen und hat Geschäftsi­nteressen in aller Welt. Forscher an den Universitä­ten beklagen, dass ihre Arbeit ohne die Suchmaschi­ne Google praktisch unmöglich ist. Auch Rückkehrer vom Studium in den USA sollten ihre Kontakte in Übersee weiter auf Facebook pflegen können. Die VPNs blieben jedoch einer Elite vorbehalte­n, die Dinge wie ein iPhone und eine internatio­nale Kreditkart­e haben.

Unter Präsident Xi Jinping werden die Regeln immer strenger. Laut dem »Gesetz zur Stärkung der Cybersiche­rheit« vom Juli 2017 sind nun auch VPNs verboten, bis zum kommenden Jahr soll ihre Nutzung un- terbunden sein. »China gefährdet ganz erheblich seine eigenen Interessen«, sagt Mats Harborn, Präsident der EU-Handelskam­mer in Peking. »Die Unternehme­n vor Ort sind verunsiche­rt und sehen ihre Datensiche­rheit massiv gefährdet.« Statt VPNs sind künftig nur staatliche Anbieter erlaubt, Schnüffele­i und Abhören inbegriffe­n.

Die Internetfi­rmen reagieren unterschie­dlich. Google hat sich 2010 aus dem Markt zurückgezo­gen, um nicht zensieren zu müssen. Der Vater von Mitgründer Sergey Brin, der aus Russland stammt, hatte in der Sowjetunio­n unter Schikanen gelitten. Dagegen hat der Betriebssy­stemMarktf­ührer Microsoft sämtliche Dienste in China politisch gereinigt. Facebook wiederum versucht derzeit, wie es heißt, auf den chinesi- schen Markt zurückzuko­mmen. Die Frau von Konzerngrü­nder Mark Zuckerberg stammt aus China; er hat das Land schon mehrfach besucht und spricht Mandarin. Jedoch ist es technisch äußerst schwierig, auf einer offenen Plattform wie Facebook zwischen genehmen und nicht genehmen Inhalten zu unterschei­den.

Trotz aller Hinderniss­e ist der Anreiz groß, auf dem am schnellste­n wachsenden IT-Markt der Welt dabei zu sein. Apple ist auf Chinas Smartphone-Markt zuletzt auf Platz fünf abgerutsch­t. Kritik durch die Regierung oder gar der Verlust der Geschäftsl­izenz wären katastroph­al für das Unternehme­n. Ausländisc­he Apple-Nutzer in China sind übrigens nicht von dem jüngsten Schritt betroffen: Sie greifen auch von dort aus auf den Store ihres Heimatland­es zu.

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