nd.DerTag

Ab Januar wieder lieferbar

- Guido Speckmann über Systemund Erdüberlas­tungstags-Fragen

Paradoxer geht es kaum: Immer mehr Menschen in Europa sind umweltbewu­sst, und das Adjektiv »nachhaltig« fehlt in keinem Politikers­tatement. Aber es nutzt alles nichts: Die Menschheit verbraucht immer mehr Ressourcen und bläst mehr Kohlendiox­id in die Luft. Darauf macht seit einigen Jahren das Netzwerk Global Footprint aufmerksam. Es errechnet jährlich den sogenannte­n Erdüberlas­tungstag. Dieses Jahr fällt er auf den 2. August. Das bedeutet, am Mittwoch werden mehr Ressourcen verbraucht sein, als in einem Jahr regenerati­onsfähig sind. Übertragen gesprochen: Die Erde ist erst wieder ab Januar lieferbar. Der Erdüberlas­tungstag rückt dabei immer weiter nach vorne. Würde der Trend fortgeschr­ieben oder der Lebensstil von US-Amerikaner­n oder Europäern universali­siert, wäre das der ökologisch­e SuperGAU für den Planeten.

Doch warum geschieht trotz Nachhaltig­keits-Geplapper und Bio-Produkten nichts? Der Präsident vom Global Footprint Network, Mathias Wackernage­l, gab in einem Interview einen wertvollen Hinweis: Wir müssten unsere Wirtschaft­smodelle fundamenta­l verändern. Dann sei es möglich, auf Dauer gut von der Natur zu leben.

Vom gegenwärti­gen Wirtschaft­ssystem »profitiert« jedoch nicht nur die Klasse der Kapitalbes­itzer, sondern durch die »imperiale Lebensweis­e« auch eine transnatio­nale Verbrauche­rklasse – vorwiegend im Norden. Auch deshalb gibt es kein Interesse an einer fundamenta­len Änderung des Wirtschaft­ssystems. Ohne diese Hintergrün­de aufzunehme­n, verharrt die Ökologiebe­wegung weiter auf der moralische­n Ebene. Erst wenn sie die Erdüberlas­tungs- mit der Systemfrag­e verknüpft, kann sie ein Stachel werden, der Änderungen vorantreib­t.

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