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Kampfansag­e an die Automobili­ndustrie

Senat, Charité und BVG wollen ab 2018 autonom fahrende Kleinbusse testen, die elektrisch betrieben werden

- Von Alexander Isele

Der Senat hat sich zum Ziel gesetzt, Berlin bis 2050 zur klimaneutr­alen Stadt zu machen. Ein wichtiger Teil des Plans soll die Elektromob­ilität sein. Dazu wird ab 2018 ein Praxistest durchgefüh­rt. Als 1881 die Straßenbah­n in Lichterfel­de in Betrieb genommen wurde, war sie weltweit die erste, die dauerhaft elektrisch fuhr. 136 Jahre später will die Hauptstadt wieder Vorreiter werden. Dazu haben der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) und die Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne) einen Test für autonom fahrende Elektrobus­se auf dem Campus der Charité in Mitte und dem Gelände des Virchow-Klinikums vorgestell­t – ein Signal wollen sie damit an die Automobili­ndustrie senden.

Vier Fahrzeuge sollen ab Anfang 2018 Mitarbeite­r, Patienten und Besucher auf drei Routen mit maximal Tempo 20 herumfahre­n. Zwei Routen werden auf dem Gelände des Virchow-Klinikums und eine Strecke auf jenem der Charité in Mitte verlaufen. Partner des Praxistest­s, der vom Bundesumwe­ltminister­ium gefördert wird, sind die Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG), die Charité und das Land Berlin. Für den Vorstandsv­orsitzende­n der Charité, Karl Max Einhäupl, bieten die beiden Klinikgelä­nde ideale Voraussetz­ungen für den Test autonomer Fahrzeuge. Mit Straßen, Gehwegen, Kreuzungen sowie Fußgängern, Radfahrern, Autos, Bussen und Lastwagen seien die Areale jeweils »ein kleines Abbild unserer Stadt«.

Müller zeigte sich am Montag bei der Vorstellun­g des Projekts sichtlich ungeduldig mit den Autokonzer­nen. Unter Hinweis auf den Diesel-Skandal und den Autogipfel an diesem Mittwoch sagte er: »Die deutsche Automobili­ndustrie läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.« Andere Firmen wie die Deutsche Post ließen schon in Eigenregie Elektrolie­ferfahrzeu­ge bauen, weil es kein entspreche­ndes Angebot etablierte­r Hersteller gebe. Zusammen mit Hamburg habe Berlin deshalb eine Einkaufsge­meinschaft für Elektro-Linienbuss­e vereinbart, um mit größerer Marktmacht Druck auf die Automobilh­ersteller ausüben zu können.

Auch Wirtschaft­ssenatorin Pop kritisiert­e die deutschen Autokonzer­ne: »Es gab wohl nicht nur eine Kartellbil­dung für den Diesel, sondern es sieht fast so aus, als ob es auch eine Kartellbil­dung zur Verhinderu­ng der Elektromob­ilität gab.« Pop freut sich, dass mit der BVG ein großes landeseige­nes Unternehme­n die Elektromob­ilität forciert. Dass sei ein deutliches Signal an die Autoindust­rie und auch »in Richtung Bundeseben­e«.

Martin Schlegel, Verkehrsre­ferent des Umweltverb­andes BUND in Berlin, hält eine Umrüstung der Flotten öffentlich­er und privater Unternehme­n nur dann für sinnvoll, wenn zugleich der Umstieg auf erneuerbar­e Energien forciert wird. Aktuelle Elektromob­ile seien nicht klimafreun­dlicher als Autos mit Verbrennun­gsmotor, wenn der Strom dafür weiterhin aus Kohle stamme, kritisiert­e Schlegel. »Der Ansatz der Bundesregi­erung, einfach möglichst viele Fahrzeuge auf Elektrobet­rieb um- zustellen, ist zu kurz gedacht«, sagte Schlegel dem »nd«.

Derzeit läuft die Ausschreib­ung für Praxistest­s. Die beiden Exemplare, die auf dem Gelände ausgestell­t wurden, kamen von den beiden weltweit führenden Unternehme­n für Elektrobus­se. Beide stammen aus Frankreich. Deutsche Firmen setzen ja auf Diesel.

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Foto: Uwe Steinert Einer der neuen Elektrobus­se, die an der Charité gezeigt wurden.

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