Flaute an der Elbe
Häfen in Brandenburg Teil 4: Mühlberg sollte Windräder verschiffen – doch die Straße ist billiger
Kies und Windkraftanlagen werden auf der Straße transportiert, weil das günstiger ist. Doch der Hafen Mühlberg machte mit der Sächsischen Binnenhäfen GmbH einen Schritt nach vorn und hat eine Perspektive. Ein Mitarbeiter baggert zwar emsig, aber sonst ist heute nicht viel los im Hafen Mühlberg/Elbe. Es wird kein Schiff kommen. Es ist schon lange kein Schiff mehr gekommen. Im Juni wurde hier der vorerst letzte Frachter beladen. Denn der Fluss führt Niedrigwasser. Ein Problem, mit dem die Binnenschifffahrt bereits in den Sommern der vergangenen zwei Jahre zu kämpfen hatte. Nur mit einer bescheidenen Ladung von 50 Tonnen würden die Schiffe noch durchkommen, aber das sei unwirtschaftlich, sagt Heiko Loroff, Geschäftsführer der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO). Die SBO betreibt in einem Firmenverbund in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Tschechien die Häfen Dresden, Riesa, Torgau, Roßlau, Děčín und Lovosice, dazu in Brandenburg seit 2015 den Hafen Mühlberg.
600 bis 900 Tonnen Ladung seien notwendig für einen wirtschaftlichen Transport auf der Elbe, erklärt Loroff. Möglich seien 1500 Tonnen und man habe sogar schon einmal 2200 Tonnen laden können. Doch im Moment geht gar nichts. Wenn das Niedrigwasser spätestens Ende August vorüber ist, könnten für die Landwirtschaft noch Düngemittel auf dem Wasserweg befördert werden. Dann könnte der Hafen Mühlberg das Ergebnis von 2016 wieder erreichen. Da sind mehr als 9395 Tonnen von hier aus verschifft worden. Ist länger Ebbe in der Elbe, sei dies nicht mehr zu schaffen, schätzt Loroff. Man würde dann wahrscheinlich aber trotzdem mehr als die rund 6500 Tonnen des Jahres 2015 von hier aus befördern.
Insgesamt mehr als 2,6 Millionen Tonnen Güter schlug der Hafenverbund 2016 um. Die Kapazitäten erlauben 40 Prozent mehr. Der Hafen Mühlberg allein hat sogar noch viel mehr Luft nach oben. Das Problem sind die Kosten der Binnenschifffahrt. Schiene und Straße sind in der Regel billiger. »Wir sind wirtschaftlicher, wenn wir auf einmal große Mengen laden können, wir sind umweltfreundlicher, aber wir brauchen etwas länger«, sagt der SBO-Geschäftsführer. Ein Schiff benötige bis Hamburg viereinhalb Tage. Ein Lkw schaffe die Strecke in acht Stunden.
Doch Loroff möchte nicht klagen. Der Verkehr suche sich automatisch den günstigsten Weg. Mit der Ökologie zu argumentieren, habe er sich abgewöhnt. »Wir müssen konkurrenzfähig sein.« Dabei sieht Loroff für die Binnenschifffahrt durchaus eine Perspektive. Die Straßen seien bereits verstopft. Wenn der Verkehr weiter zunimmt, bleibe als Alternative der Wasserweg.
Das Niedrigwasser der Elbe bremst die SBO übrigens nicht aus. Die GmbH ist ein Logistikdienstleister, der notfalls auf die Schiene ausweicht und die Rohstoffe und Waren so doch ans Ziel bringt. Doch in Mühlberg ist das nicht möglich, weil dieser Hafen über keinen Bahnanschluss verfügt. »Wenn man über die Zukunft dieses Hafens redet, wird man über eine Schienenanbindung sprechen müssen«, ist Loroff überzeugt. Doch das gehe nicht von heute auf morgen. Es müsse vorher klar sein, dass sich eine solche Investition auszahlt.
Der Hafen Mühlberg entstand 1967 für den Kiesabbau. Das Hafenbecken selbst ist ein vollgelaufenes Baggerloch, dass mit einem Durchstich zur Elbe versehen wurde. Heute werden am Kai Steine für den Wasserbau verladen, außerdem Dünger und Getreide, auch sehr viel Holz. Kies jedoch schon seit 1998 überhaupt nicht mehr. Dabei läuft der Kiesabbau in großem Stil weiter und soll sogar ausgeweitet werden – so sehr, dass eine Bürgerinitiative »Für eine Heimat mit Zukunft« gegen diese Absichten auf den Plan tritt. Denn 500 Hektar sind der Agrargenossenschaft Mühlberg bereits verloren gegangen und nun droht der Wegfall von weiteren 1000 Hektar. Es handelt sich um Flächen, die der Genossenschaft gehören oder die sie gepachtet hat. 110 Männer und Frauen verdienen in der Genossenschaft ihren Lebensunterhalt. Gerechnet wird, dass auf 100 Hektar 1,6 Bauern ihr Auskommen finden – und dies über Generationen. Dagegen beschäftige der hochautomatisierte Kiesabbau nur wenige Arbeiter, und nachdem das Vorkommen ausgebeutet sei, »ist dort Schluss«, warnt Diplom-Land- wirt Claus-Peter Grobe, der inzwischen Rentner ist und nicht mehr selbst betroffen, sich aber dennoch in der Bürgerinitiative engagiert.
Weil für die bereits zu DDR-Zeiten erkundeten Lagerstätten anders als in den alten Bundesländern keine Förderabgabe entrichtet werden müsse, könne der Kies aus Mühlberg verschleudert werden. Zum Teil werde der Kies 600 Kilometer weit gekarrt und sogar ins Ausland exportiert, was sich mit Förderabgabe nicht lohnen würde, mahnt die Initiative.
Der Mühlberger Kies sei in der Hamburger Elbphilharmonie, im Schönefelder Großflughafen und im Stuttgarter Hauptbahnhof verbaut. Zu DDR-Zeiten habe es geheißen, so erinnert sich Grobe, dass die hiesigen Kiesvorkommen besonders ergiebig seien, weil die Hälfte des Materials verwendet werden könne. Das war eine überdurchschnittliche Quote. Doch heute werde für die übliche Stahlbetonbauweise nur der grobkörnige Kies gebraucht. Der feine Sand, ideal zum Mauern, sei kaum gefragt und werde einfach wieder in den Kiessee eingespült, so dass die Nutzquote auf 30 Prozent abgesunken sei. Es wäre möglich, den Abraum nicht auf der Halde liegen zu lassen, sondern ihn zu verfüllen und die Baggerlöcher zu rekultivieren, weiß Uwe Gliemann, Vorsitzender der Agrargenossenschaft. So würden die Bauern ihren Acker zehn Jahre später zurückerhalten. Doch die Firma Elbekies sei, da es DDR-Lagerstätten sind, zur Rekultivierung nicht verpflichtet, nach anderer Sichtweise nicht einmal berechtigt, kritisiert Gliemann. Die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) ist gekommen und spricht am Badestrand des Westsees mit der Bürgerinitiative. In der Ferne sind am anderen Ufer die Förderanlagen zu sehen. Der Sicherheitsbereich davor ist für Badende durch Bojen abgesperrt. Ließe sich nicht Druck durch den Bauernverband machen, fragt Baerbock. Doch Gliemann winkt ab. Alles schon versucht, alles vergeblich.
Derweil brummen Kieslaster vorbei. Teils wird der Baustoff auch mit Zügen abgefahren. Das ist billiger als die Nutzung des Hafens, der deshalb 1998 stillgelegt wurde. Doch 2012 sollte der Hafen seine Wiedergeburt erleben. Denn der Windradhersteller Vestas beabsichtigte, seine in Lauchhammer gefertigten Rotorblätter in Mühlberg einzuschiffen. Mehr als 2,4 Millionen Euro investierte der Staat, um die Anlegestelle zu ertüchtigen, und 1,6 Millionen Euro steckt das Land Brandenburg in die noch laufende Verlegung der Ortsdurchfahrt. 300 Rotorblätter jährlich wollte Vestas verschiffen und betrieb den kommunalen Hafen zunächst selbst. Doch im Laufe der Jahre sind es nicht einmal zusammen 300 Stück geworden. Der Grund: Der Lkw-Transport stellte sich als kostengünstiger heraus. Die SBO befördert dennoch Windräder – aber von anderen Herstellern und nicht über Mühlberg. Geschäftsführer Loroff widerspricht der Darstellung, für die neueste Generation langer Rotorblätter wäre die Hafenkante zu kurz. »Nonsens, wir bekommen hier alles rüber«, versichert er. Loroff stellt auch klar, dass die SBO mit Mühlberg keinen Verlust mache. Gibt es hier etwas zu tun, kommen die Mitarbeiter aus dem nahen Riesa herbei, und die GmbH zahlt Gebühren an die Stadt. Legt kein Schiff an, entstehen der Firma auch keine Kosten. Die SBO ist dennoch interessiert, den kleinen Hafen zu entwickeln.
Es sei ein Vorteil, die Binnenschifffahrt aus einer Hand zu vermarkten, argumentiert Loroff. Von Lovosice in Tschechien bis Roßlau (Elbe) gebe es sonst nur noch den Hafen in Aken (beide Sachsen-Anhalt), der nicht zum Verbund gehöre, und mit Aken kooperiere man. Über Mühlberg, dem einzigen rechtsseitigen Elbehafen der SBO, lasse sich Südbrandenburg als Einzugsgebiet erschließen.