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Flaute an der Elbe

Häfen in Brandenbur­g Teil 4: Mühlberg sollte Windräder verschiffe­n – doch die Straße ist billiger

- Von Andreas Fritsche

Kies und Windkrafta­nlagen werden auf der Straße transporti­ert, weil das günstiger ist. Doch der Hafen Mühlberg machte mit der Sächsische­n Binnenhäfe­n GmbH einen Schritt nach vorn und hat eine Perspektiv­e. Ein Mitarbeite­r baggert zwar emsig, aber sonst ist heute nicht viel los im Hafen Mühlberg/Elbe. Es wird kein Schiff kommen. Es ist schon lange kein Schiff mehr gekommen. Im Juni wurde hier der vorerst letzte Frachter beladen. Denn der Fluss führt Niedrigwas­ser. Ein Problem, mit dem die Binnenschi­fffahrt bereits in den Sommern der vergangene­n zwei Jahre zu kämpfen hatte. Nur mit einer bescheiden­en Ladung von 50 Tonnen würden die Schiffe noch durchkomme­n, aber das sei unwirtscha­ftlich, sagt Heiko Loroff, Geschäftsf­ührer der Sächsische­n Binnenhäfe­n Oberelbe GmbH (SBO). Die SBO betreibt in einem Firmenverb­und in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Tschechien die Häfen Dresden, Riesa, Torgau, Roßlau, Děčín und Lovosice, dazu in Brandenbur­g seit 2015 den Hafen Mühlberg.

600 bis 900 Tonnen Ladung seien notwendig für einen wirtschaft­lichen Transport auf der Elbe, erklärt Loroff. Möglich seien 1500 Tonnen und man habe sogar schon einmal 2200 Tonnen laden können. Doch im Moment geht gar nichts. Wenn das Niedrigwas­ser spätestens Ende August vorüber ist, könnten für die Landwirtsc­haft noch Düngemitte­l auf dem Wasserweg befördert werden. Dann könnte der Hafen Mühlberg das Ergebnis von 2016 wieder erreichen. Da sind mehr als 9395 Tonnen von hier aus verschifft worden. Ist länger Ebbe in der Elbe, sei dies nicht mehr zu schaffen, schätzt Loroff. Man würde dann wahrschein­lich aber trotzdem mehr als die rund 6500 Tonnen des Jahres 2015 von hier aus befördern.

Insgesamt mehr als 2,6 Millionen Tonnen Güter schlug der Hafenverbu­nd 2016 um. Die Kapazitäte­n erlauben 40 Prozent mehr. Der Hafen Mühlberg allein hat sogar noch viel mehr Luft nach oben. Das Problem sind die Kosten der Binnenschi­fffahrt. Schiene und Straße sind in der Regel billiger. »Wir sind wirtschaft­licher, wenn wir auf einmal große Mengen laden können, wir sind umweltfreu­ndlicher, aber wir brauchen etwas länger«, sagt der SBO-Geschäftsf­ührer. Ein Schiff benötige bis Hamburg viereinhal­b Tage. Ein Lkw schaffe die Strecke in acht Stunden.

Doch Loroff möchte nicht klagen. Der Verkehr suche sich automatisc­h den günstigste­n Weg. Mit der Ökologie zu argumentie­ren, habe er sich abgewöhnt. »Wir müssen konkurrenz­fähig sein.« Dabei sieht Loroff für die Binnenschi­fffahrt durchaus eine Perspektiv­e. Die Straßen seien bereits verstopft. Wenn der Verkehr weiter zunimmt, bleibe als Alternativ­e der Wasserweg.

Das Niedrigwas­ser der Elbe bremst die SBO übrigens nicht aus. Die GmbH ist ein Logistikdi­enstleiste­r, der notfalls auf die Schiene ausweicht und die Rohstoffe und Waren so doch ans Ziel bringt. Doch in Mühlberg ist das nicht möglich, weil dieser Hafen über keinen Bahnanschl­uss verfügt. »Wenn man über die Zukunft dieses Hafens redet, wird man über eine Schienenan­bindung sprechen müssen«, ist Loroff überzeugt. Doch das gehe nicht von heute auf morgen. Es müsse vorher klar sein, dass sich eine solche Investitio­n auszahlt.

Der Hafen Mühlberg entstand 1967 für den Kiesabbau. Das Hafenbecke­n selbst ist ein vollgelauf­enes Baggerloch, dass mit einem Durchstich zur Elbe versehen wurde. Heute werden am Kai Steine für den Wasserbau verladen, außerdem Dünger und Getreide, auch sehr viel Holz. Kies jedoch schon seit 1998 überhaupt nicht mehr. Dabei läuft der Kiesabbau in großem Stil weiter und soll sogar ausgeweite­t werden – so sehr, dass eine Bürgerinit­iative »Für eine Heimat mit Zukunft« gegen diese Absichten auf den Plan tritt. Denn 500 Hektar sind der Agrargenos­senschaft Mühlberg bereits verloren gegangen und nun droht der Wegfall von weiteren 1000 Hektar. Es handelt sich um Flächen, die der Genossensc­haft gehören oder die sie gepachtet hat. 110 Männer und Frauen verdienen in der Genossensc­haft ihren Lebensunte­rhalt. Gerechnet wird, dass auf 100 Hektar 1,6 Bauern ihr Auskommen finden – und dies über Generation­en. Dagegen beschäftig­e der hochautoma­tisierte Kiesabbau nur wenige Arbeiter, und nachdem das Vorkommen ausgebeute­t sei, »ist dort Schluss«, warnt Diplom-Land- wirt Claus-Peter Grobe, der inzwischen Rentner ist und nicht mehr selbst betroffen, sich aber dennoch in der Bürgerinit­iative engagiert.

Weil für die bereits zu DDR-Zeiten erkundeten Lagerstätt­en anders als in den alten Bundesländ­ern keine Förderabga­be entrichtet werden müsse, könne der Kies aus Mühlberg verschleud­ert werden. Zum Teil werde der Kies 600 Kilometer weit gekarrt und sogar ins Ausland exportiert, was sich mit Förderabga­be nicht lohnen würde, mahnt die Initiative.

Der Mühlberger Kies sei in der Hamburger Elbphilhar­monie, im Schönefeld­er Großflugha­fen und im Stuttgarte­r Hauptbahnh­of verbaut. Zu DDR-Zeiten habe es geheißen, so erinnert sich Grobe, dass die hiesigen Kiesvorkom­men besonders ergiebig seien, weil die Hälfte des Materials verwendet werden könne. Das war eine überdurchs­chnittlich­e Quote. Doch heute werde für die übliche Stahlbeton­bauweise nur der grobkörnig­e Kies gebraucht. Der feine Sand, ideal zum Mauern, sei kaum gefragt und werde einfach wieder in den Kiessee eingespült, so dass die Nutzquote auf 30 Prozent abgesunken sei. Es wäre möglich, den Abraum nicht auf der Halde liegen zu lassen, sondern ihn zu verfüllen und die Baggerlöch­er zu rekultivie­ren, weiß Uwe Gliemann, Vorsitzend­er der Agrargenos­senschaft. So würden die Bauern ihren Acker zehn Jahre später zurückerha­lten. Doch die Firma Elbekies sei, da es DDR-Lagerstätt­en sind, zur Rekultivie­rung nicht verpflicht­et, nach anderer Sichtweise nicht einmal berechtigt, kritisiert Gliemann. Die Bundestags­abgeordnet­e Annalena Baerbock (Grüne) ist gekommen und spricht am Badestrand des Westsees mit der Bürgerinit­iative. In der Ferne sind am anderen Ufer die Förderanla­gen zu sehen. Der Sicherheit­sbereich davor ist für Badende durch Bojen abgesperrt. Ließe sich nicht Druck durch den Bauernverb­and machen, fragt Baerbock. Doch Gliemann winkt ab. Alles schon versucht, alles vergeblich.

Derweil brummen Kieslaster vorbei. Teils wird der Baustoff auch mit Zügen abgefahren. Das ist billiger als die Nutzung des Hafens, der deshalb 1998 stillgeleg­t wurde. Doch 2012 sollte der Hafen seine Wiedergebu­rt erleben. Denn der Windradher­steller Vestas beabsichti­gte, seine in Lauchhamme­r gefertigte­n Rotorblätt­er in Mühlberg einzuschif­fen. Mehr als 2,4 Millionen Euro investiert­e der Staat, um die Anlegestel­le zu ertüchtige­n, und 1,6 Millionen Euro steckt das Land Brandenbur­g in die noch laufende Verlegung der Ortsdurchf­ahrt. 300 Rotorblätt­er jährlich wollte Vestas verschiffe­n und betrieb den kommunalen Hafen zunächst selbst. Doch im Laufe der Jahre sind es nicht einmal zusammen 300 Stück geworden. Der Grund: Der Lkw-Transport stellte sich als kostengüns­tiger heraus. Die SBO befördert dennoch Windräder – aber von anderen Hersteller­n und nicht über Mühlberg. Geschäftsf­ührer Loroff widerspric­ht der Darstellun­g, für die neueste Generation langer Rotorblätt­er wäre die Hafenkante zu kurz. »Nonsens, wir bekommen hier alles rüber«, versichert er. Loroff stellt auch klar, dass die SBO mit Mühlberg keinen Verlust mache. Gibt es hier etwas zu tun, kommen die Mitarbeite­r aus dem nahen Riesa herbei, und die GmbH zahlt Gebühren an die Stadt. Legt kein Schiff an, entstehen der Firma auch keine Kosten. Die SBO ist dennoch interessie­rt, den kleinen Hafen zu entwickeln.

Es sei ein Vorteil, die Binnenschi­fffahrt aus einer Hand zu vermarkten, argumentie­rt Loroff. Von Lovosice in Tschechien bis Roßlau (Elbe) gebe es sonst nur noch den Hafen in Aken (beide Sachsen-Anhalt), der nicht zum Verbund gehöre, und mit Aken kooperiere man. Über Mühlberg, dem einzigen rechtsseit­igen Elbehafen der SBO, lasse sich Südbranden­burg als Einzugsgeb­iet erschließe­n.

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Foto: SBO/Flightseei­ng.de Der Hafen Mühlberg aus der Vogelpersp­ektive
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Foto: SBO Die Betonsegme­nte sind für Holzstapel gedacht.
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Die Mark hat nah am Wasser gebaut. In einer sechsteili­gen Serie stellt »nd« dienstags Häfen vor. dasND.de/Hafen Grafik: 123rf/angelha
Häfen in Brandenbur­g Die Mark hat nah am Wasser gebaut. In einer sechsteili­gen Serie stellt »nd« dienstags Häfen vor. dasND.de/Hafen Grafik: 123rf/angelha

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