nd.DerTag

Jede Form des Extremismu­s schadet

Zu »An alle, die gegen die G20 auf der Straße waren«, 26.7., S. 18

- Bernd Friedrich, Leipzig

Sehr geehrte Frau Laquer, nicht Ihre Kapitalism­uskritik lehne ich ab. Aber Sie schaden, denn Ihre Haltung begünstigt junge Leute auf ihrem Weg zum linken Extremismu­s. Ich weiß, wie mörderisch rechter Extremismu­s ist. Aber ich bedauere, dass Sie versäumen, auch linken Extremismu­s abzulehnen. Auch linker Extremismu­s tritt Mitmenschl­ichkeit mit Füßen. Gesellscha­ftliche Veränderun­gen sollten ausschließ­lich mit demokratis­chen Mitteln durchgeset­zt werden. Politische­r Extremismu­s deutscher Prägung hat in der Vergangenh­eit zu viel verbrochen.

Extremismu­s auf deutschem Boden, ob rechts, links oder islamisch, verachtet Toleranz und zerstört unsere demokratis­chen Werte. In Erfurt wird eine Moschee bekämpft, in Gotha wird der jüdische Friedhof geschändet, in Hamburg werden Polizisten bewusst verletzt, in Berlin sterben Marktbesuc­her ... Gefährlich ist das Wachstum des politische­n Extremismu­s, aber noch gefährlich­er ist die verbreitet­e Einseitigk­eit seiner Verurteilu­ng in unserer Gesellscha­ft. Weder das linke noch das rechte Auge darf blind bleiben. Demokraten sollten geschlosse­n gegen jede Form des politische­n Extremismu­s vorgehen. Reinhard Schramm, Erfurt, Vorsitzend­er der Jüdischen Landesgeme­inde Thüringen Mein Respekt gilt all jenen, die in Hamburg bunt, laut und friedlich gegen den G20-Gipfel protestier­t haben. Sie haben gezeigt, dass es viele Menschen in der Welt gibt, die gegen die Verursache­r von Armut, Hunger, Epidemien und Klimawande­l auf die Straße gehen, weil hierin die auslösende­n Faktoren für geopolitis­che Konflikte, Terrorismu­s und die dann folgenden Migrations- und Fluchtbewe­gungen bestehen. Die Regierunge­n der G20 agieren in wesentlich­en Punkten gegen die objektiven Interessen der Menschheit.

Dieser machtvolle Protest ist angegriffe­n, behindert und aufs Böswilligs­te diskrediti­ert worden durch eine unfähig bis destruktiv agierende Polizei, einseitig verkürzte Darstellun­gen durch Politiker und Medien und durch Kriminelle, die strafrecht­lich relevante Vergehen und Verbrechen begingen. (Kriminell ist, wer kriminell handelt.)

Und: Hier gibt es für mich keinerlei Widersprüc­hlichkeit. Wer Autos anzündet, Läden plündert und Gewalt gegen Personen (das sind auch Polizisten!) ausübt, besorgt das Geschäft der G20-Regierunge­n, gegen die er angeblich protestier­t. Die letzten 150 Jahre sollten alle linken Bewegungen gelehrt haben, dass sich eine gerechte Gesellscha­ft nicht mit undemokrat­ischen Methoden aufbauen lässt – und wenn es die Erkenntnis ist, dass das noch nirgends funktionie­rt hat. Das Verständni­s dafür, dass Mittel und Inhalte sich gegenseiti­g beeinfluss­en, undemokrat­ische Mittel also nie zu Demokratie führen können, wäre ein nächster Schritt.

Um das für andere Menschen nachvollzi­ehbar zu machen, wäre es zunächst meines Erachtens sinnvoll, das aus dem Englischen übernommen­e neumodisch­e Wort »Riot« bei der Kennzeichn­ung von Randale, Krawall, Hooliganis­mus und verwandten Aktionen zu vermeiden. Es hat seit einiger Zeit offensicht­lich die Funktion, solche kriminelle­n Aktionen zu verschleie­rn und ihnen nachträgli­ch ein legitimier­endes Mäntelchen umzuhängen. Ich bin für klare, widerspruc­hsfreie Distanz und Verurteilu­ng aller Gewalt. Alles andere macht linke Politik unglaubwür­dig.

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