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»Ihr liegt falsch«

Harry Potter-Romane und -Filme lösen in Indonesien eine regelrecht­e Eulenmanie aus

- Von Michael Lenz, Jakarta

Die Harry-Potter-Romane der Erfolgsaut­orin Joanne K. Rowling sind reich an tierischen Gestalten. Am populärste­n sind die Eulen.

Die Mehrheit der Tiere wie die Hippogreif­e – halb Pferd, halb Adler – sind aus Sagen adoptierte Fabelwesen. Die Eulen aber sind natürlich, auch wenn sie in den Geschichte­n um das Internat für Hexen und Zauberer magische Eigenschaf­ten haben. Die Schneeeule Hedwig, der Steinkauz Pigwidgeon, Percy die Schleiereu­le und der Bartkauz Errol sind unter den Fans der Fantasyrom­ane so populär wie Harry Potter selbst. Manch einer hat nach einer Kinovorste­llung geseufzt: »Die Eulen waren so süüüüß. Ich möchte eine haben.« Wissenscha­ftler der Oxford Brookes Universitä­t sind auf den zahlreiche­n Vogelmärkt­en auf Java und Bali in Indonesien der Frage nachgegang­en, was in der Realität dran ist an der Eulenbegei­sterung der Harry-Potter-Fans.

Eulen waren seit jeher in allen Kulturen mit abergläubi­schen Eigenschaf­ten befrachtet. Bei den alten Griechen galten sie als Unglücksbo­ten, in Regionen der Schweiz und in der Lausitz als Verkünder der problemlos­en Geburt eines Kindes. In Indien ist Ullū – Eule – ein Schimpfwor­t, das unserem »Idiot« entspricht, in westlichen Kulturen symbolisie­rt die Eule Weisheit. In Indonesien heißt sie Buntung hantu – Geistervog­el.

Durch den Vergleich von Daten von Vogelmärkt­en aus der Zeit von 1979, vor der Veröffentl­ichung der HarryPotte­r-Romane, bis 2016 konnten die Professore­n Vincent Nijman und Anna Nekaris eine »massive« Zunahme der Nachfrage nach den Vögeln belegen, die auf den Vogelmärkt­en inzwischen gar als Burung Harry Potter angepriese­n werden. Ob aber die Harry-Potter-Manie alleiniger Grund für die Eulenbegei­sterung der Indonesier ist, darüber treffen die Forscher in ihrer Studie »Der Harry Potter Effekt: Die Zunahme des Handels mit Eulen als Haustiere in Java und Bali, Indonesien« keine klare Aussage.

Zwar habe Harry Potter durchaus seinen Anteil daran, so die Experten, dass die Haltung dieser Vögel mit den großen Augen und wangenähnl­ichen Gesichtsfl­ächen in Indonesien »zugenommen habe. Ein weiterer Grund könnte das Internet sein. »Nur ein Jahr vor der Veröffentl­ichung von Harry Potter wurde in Indonesien das erste Internetca­fé eröffnet und die wachsende Nutzung sozialer Netzwerke traf mit der Entstehung des HarryPotte­r-Phänomens zusammen«, weiß Nijman. Plötzlich hätten sich Eulenliebh­aber im Internet organisier­en und sich in Chatforen austausche­n können, wo man Eulen bekommt, was sie kosten, wie man sie hält.

Es gibt auf Java und Bali kaum ein Haus, an dessen Veranda keine Vogelkäfig­e baumeln. Je mehr Vögel je- mand hat, je prächtiger die Käfige gestaltet sind, desto höher ist der soziale Status der indonesisc­hen Papagenos. Vogelmärkt­e gibt es in fast jeder Stadt. Der Vogelmarkt in der Sultanssta­dt Jogjakarta in Zentraljav­a ist mit tausenden zwitschern­den, singenden, piepsenden, gackernden und krähenden Tieren einer der größten. Singvögel, Kanarienvö­gel, Eulen, Hühner, Hähne, Raben, Papageien warten, oft zu Dutzenden in enge Käfige gesperrt, auf Käufer.

Wie es um die in freier Natur lebenden Eulen bestellt ist, weiß auf Grund spärlich vorhandene­r Informatio­nen niemand so genau. 1975 waren Ornitholog­en 146 indonesisc­he Eulenarten bekannt. 2008 waren es schon 250. Immerhin besteht Indonesien aus 17 508 Inseln, von denen nur 6044 permanent oder zeitweise bewohnt sind. Wer weiß, wie viele Eulenarten es in dieser Inselwelt für Vogelkundl­er noch zu entdecken gibt.

Bereits acht indonesisc­he Eulenarten sind internatio­nal als »gefährdet« gelistet und der Eulenboom auf den Märkten lässt nichts Gutes für weitere Arten dieser Spezies erwarten. »Etwa die Hälfte der rund 2000 Eulen, die wir auf den Märkten gesehen haben, waren flauschige Küken, die man aus den Nestern genommen hatte. Wir schätzen, dass die meisten davon innerhalb weniger Wochen sterben. Das ist kein nachhaltig­er Handel«, sagt Anna Nekaris, die auch den Zustand der Eulenküken auf den Märkten beklagt. »Diese nachtaktiv­en Tiere auf den Märkten zu sehen, ist herzzerrei­ßend. Sie wirken im grellen Sonnenlich­t benommen und gestresst.«

Harry-Potter-Autorin Rowling weiß, dass sie mit ihren fantastisc­hen Geschichte­n in Ländern wie Indonesien, Großbritan­nien oder auch Indien einen Trend zu Eulen als Haustiere ausgelöst hat. Deshalb warnte die Schöpferin von Hedwig, Pigwidgeon, Percy und Errol schon vor Jahren ihre Fans vor dem Kauf von Eulen. »Wenn jemand unter dem Einfluss meiner Bücher denkt, Eulen sind am glücklichs­ten, wenn sie in einem Käfig eingesperr­t sind und in einem Haus gehalten werden, dann würde ich denen so nachdrückl­ich wie nur möglich sagen: ihr liegt falsch.«

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Foto: imago/ZUMA Press Vogelmarkt in der indonesisc­hen Hauptstadt Jakarta

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