»Ihr liegt falsch«
Harry Potter-Romane und -Filme lösen in Indonesien eine regelrechte Eulenmanie aus
Die Harry-Potter-Romane der Erfolgsautorin Joanne K. Rowling sind reich an tierischen Gestalten. Am populärsten sind die Eulen.
Die Mehrheit der Tiere wie die Hippogreife – halb Pferd, halb Adler – sind aus Sagen adoptierte Fabelwesen. Die Eulen aber sind natürlich, auch wenn sie in den Geschichten um das Internat für Hexen und Zauberer magische Eigenschaften haben. Die Schneeeule Hedwig, der Steinkauz Pigwidgeon, Percy die Schleiereule und der Bartkauz Errol sind unter den Fans der Fantasyromane so populär wie Harry Potter selbst. Manch einer hat nach einer Kinovorstellung geseufzt: »Die Eulen waren so süüüüß. Ich möchte eine haben.« Wissenschaftler der Oxford Brookes Universität sind auf den zahlreichen Vogelmärkten auf Java und Bali in Indonesien der Frage nachgegangen, was in der Realität dran ist an der Eulenbegeisterung der Harry-Potter-Fans.
Eulen waren seit jeher in allen Kulturen mit abergläubischen Eigenschaften befrachtet. Bei den alten Griechen galten sie als Unglücksboten, in Regionen der Schweiz und in der Lausitz als Verkünder der problemlosen Geburt eines Kindes. In Indien ist Ullū – Eule – ein Schimpfwort, das unserem »Idiot« entspricht, in westlichen Kulturen symbolisiert die Eule Weisheit. In Indonesien heißt sie Buntung hantu – Geistervogel.
Durch den Vergleich von Daten von Vogelmärkten aus der Zeit von 1979, vor der Veröffentlichung der HarryPotter-Romane, bis 2016 konnten die Professoren Vincent Nijman und Anna Nekaris eine »massive« Zunahme der Nachfrage nach den Vögeln belegen, die auf den Vogelmärkten inzwischen gar als Burung Harry Potter angepriesen werden. Ob aber die Harry-Potter-Manie alleiniger Grund für die Eulenbegeisterung der Indonesier ist, darüber treffen die Forscher in ihrer Studie »Der Harry Potter Effekt: Die Zunahme des Handels mit Eulen als Haustiere in Java und Bali, Indonesien« keine klare Aussage.
Zwar habe Harry Potter durchaus seinen Anteil daran, so die Experten, dass die Haltung dieser Vögel mit den großen Augen und wangenähnlichen Gesichtsflächen in Indonesien »zugenommen habe. Ein weiterer Grund könnte das Internet sein. »Nur ein Jahr vor der Veröffentlichung von Harry Potter wurde in Indonesien das erste Internetcafé eröffnet und die wachsende Nutzung sozialer Netzwerke traf mit der Entstehung des HarryPotter-Phänomens zusammen«, weiß Nijman. Plötzlich hätten sich Eulenliebhaber im Internet organisieren und sich in Chatforen austauschen können, wo man Eulen bekommt, was sie kosten, wie man sie hält.
Es gibt auf Java und Bali kaum ein Haus, an dessen Veranda keine Vogelkäfige baumeln. Je mehr Vögel je- mand hat, je prächtiger die Käfige gestaltet sind, desto höher ist der soziale Status der indonesischen Papagenos. Vogelmärkte gibt es in fast jeder Stadt. Der Vogelmarkt in der Sultansstadt Jogjakarta in Zentraljava ist mit tausenden zwitschernden, singenden, piepsenden, gackernden und krähenden Tieren einer der größten. Singvögel, Kanarienvögel, Eulen, Hühner, Hähne, Raben, Papageien warten, oft zu Dutzenden in enge Käfige gesperrt, auf Käufer.
Wie es um die in freier Natur lebenden Eulen bestellt ist, weiß auf Grund spärlich vorhandener Informationen niemand so genau. 1975 waren Ornithologen 146 indonesische Eulenarten bekannt. 2008 waren es schon 250. Immerhin besteht Indonesien aus 17 508 Inseln, von denen nur 6044 permanent oder zeitweise bewohnt sind. Wer weiß, wie viele Eulenarten es in dieser Inselwelt für Vogelkundler noch zu entdecken gibt.
Bereits acht indonesische Eulenarten sind international als »gefährdet« gelistet und der Eulenboom auf den Märkten lässt nichts Gutes für weitere Arten dieser Spezies erwarten. »Etwa die Hälfte der rund 2000 Eulen, die wir auf den Märkten gesehen haben, waren flauschige Küken, die man aus den Nestern genommen hatte. Wir schätzen, dass die meisten davon innerhalb weniger Wochen sterben. Das ist kein nachhaltiger Handel«, sagt Anna Nekaris, die auch den Zustand der Eulenküken auf den Märkten beklagt. »Diese nachtaktiven Tiere auf den Märkten zu sehen, ist herzzerreißend. Sie wirken im grellen Sonnenlicht benommen und gestresst.«
Harry-Potter-Autorin Rowling weiß, dass sie mit ihren fantastischen Geschichten in Ländern wie Indonesien, Großbritannien oder auch Indien einen Trend zu Eulen als Haustiere ausgelöst hat. Deshalb warnte die Schöpferin von Hedwig, Pigwidgeon, Percy und Errol schon vor Jahren ihre Fans vor dem Kauf von Eulen. »Wenn jemand unter dem Einfluss meiner Bücher denkt, Eulen sind am glücklichsten, wenn sie in einem Käfig eingesperrt sind und in einem Haus gehalten werden, dann würde ich denen so nachdrücklich wie nur möglich sagen: ihr liegt falsch.«