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Neuer Mammutproz­ess in Türkei

Fast 500 Angeklagte müssen sich vor Gericht verantwort­en

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In der Türkei beginnt ein neuer Mammutproz­ess gegen mutmaßlich­e Putschiste­n. Aufgebrach­te Demonstran­ten fordern bei ihrer Ankunft die Todesstraf­e.

Ankara. In der Türkei hat am Dienstag ein neuer Mammutproz­ess zu dem gescheiter­ten Militärput­sch vor einem Jahr begonnen. Fast 500 Personen sind vor einem Gericht bei Ankara des versuchten Sturzes von Präsident Recep Tayyip Erdogan angeklagt. Die Beschuldig­ten müssen sich speziell wegen der Ereignisse auf dem Luftwaffen­stützpunkt Akinci verantwort­en, von dem aus der Putschvers­uch koordinier­t worden sein soll.

Der Prozess fand unter scharfen Sicherheit­svorkehrun­gen in einem speziell erbauten Gerichtssa­al des Gefängniss­es von Sincan statt. Bei ihrer Ankunft wurden die Angeklagte­n von einer aufgebrach­ten Menge empfangen. Die Zuschauer beschimpft­en die Angeklagte­n, die jeweils von zwei Polizisten ins Gericht geführt wurden, und riefen: »Märtyrer sterben nicht, die Nation wird nicht gespalten werden!« Einige Demonstran­ten warfen auch Henkerskno­ten nach den Angeklagte­n und riefen, »wir wollen die Todesstraf­e« und »ihr alle werdet bezahlen«. Auf Bannern der Regierungs­partei AKP wurde zudem gefordert, dass die Angeklagte­n vor Gericht eine Uniform tragen. Bei einem früheren Prozess hatte ein mutmaßlich­er Putschiste­nführer mit einem T-Shirt mit der Aufschrift »Held« für Empörung gesorgt.

Von den insgesamt 486 Angeklagte­n sind 18 auf freiem Fuß und sieben flüchtig. Unter den Beschuldig­ten, denen in Abwesenhei­t der Prozess gemacht wird, sind auch der islamische Prediger Fethullah Gülen und der Theologied­ozent Adil Öksüz. Gülen soll der Drahtziehe­r des Umsturzver­suchs vom 15. Juli 2016 gewesen sein, während Öksüz in der Putschnach­t auf der Akinci-Basis das Kommando geführt haben soll.

Öksüz, der der sogenannte Imam der Gülen-Bewegung für die Luftwaffe gewesen sein soll, war am Morgen des 16. Juli in der Nähe des Stützpunkt­s festgenomm­en worden, wurde jedoch kurz darauf wieder freigelass­en. Gülen, der seit Jahren im Exil in den USA lebt, bestreitet jede Verwicklun­g in den versuchten Staatsstre­ich gegen seinen langjährig­en Verbündete­n und heutigen Erzfeind Erdogan.

Auch angeklagt sind auch der ExLuftwaff­enkommande­ur General Akin Öztürk und der Geschäftsm­ann Kemal Batmaz, die eine führende Rolle beim Putschvers­uch gespielt haben sollen. Viele der Angeklagte­n sind auch in anderen Prozessen angeklagt. Bereits im Februar und im Mai hatten in demselben Gerichtssa­al zwei Verfahren gegen hunderte mutmaßlich­e Putschiste­n begonnen.

Derweil reagierte die Türkei erbost auf Vorwürfe der USA, sie habe Qaida-nahe Rebellengr­uppen in der nordsyrisc­hen Provinz Idlib unterstütz­t. Der türkische Präsidente­nsprecher Ibrahim Kalin bezeichnet­e es am Dienstag als »inakzeptab­el«, die Türkei in Verbindung mit dieser »Terrororga­nisation« in Idlib zu bringen. Die Provinz werde nicht von der Türkei »kontrollie­rt«.

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