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Nachfrage nach Frostversi­cherungen wächst

Immer mehr Obstbauern und Winzer wollen sich gegen Wetterrisi­ken absichern – doch das ist nicht so einfach

- Von Doreen Fiedler, Koblenz

2015 Trockenhei­t, 2016 viel Regen, 2017 Frost und Regen: Viele Landwirte hatten zuletzt kein Glück mit dem Wetter. Immer mehr wollen deshalb Obstbäume und Weinberge gegen Wetterunbi­lden versichern. Minus acht Grad zeigte das Thermomete­r Ende April. In den Obstplanta­gen standen die Apfelbäume in voller Blüte, die Kirschbäum­e hatten winzige Früchte gebildet, der Wein spross munter. Dann richtete der Frost fast überall in Deutschlan­d große Schäden an. In ganzen Landstrich­en erfroren junge Triebe und Blüten, fielen ab. Einige Landwirte verloren einen Großteil ihrer Ernte. Das Fatale: Die meisten waren gegen Spätfröste nicht versichert.

Im Obstbau – außer bei Erdbeeren – gibt es in Deutschlan­d derzeit keine Möglichkei­t, eine Versicheru­ng gegen solche Spätfröste abzuschlie­ßen. »Die Prämien, die dafür gezahlt werden müssten, wären betriebswi­rtschaftli­ch nicht möglich«, sagt Norbert Schäfer vom Berufsverb­and Obstbau, der auch Gutachter für eine Agrarversi­cherung ist. Viele Landwirte investiert­en deswegen in Frostschut­zberegnung, Heizvorric­htungen wie Paraffinke­rzen oder in Helikopter und Windräder, die die kalte Luft mit wärmeren Schichten verwirbeln sollen.

Winzer hingegen können ihre Weinberge seit einigen Jahren frostversi­chern. Doch die Bereitscha­ft sei gering, sagt Heinzbert Hurtmanns, Weinbau-Experte bei der Vereinigte­n Hagelversi­cherung. Von den größeren Betrieben hätten sich etwa 70 bis 80 Prozent gegen Hagel abgesicher­t, aber nur »ein Bruchteil« gegen Frost. »Hagel kann existenzge­fährdend sein, da er in Nullkomman­ichts die ganze Lese zerstört. Davor hat der Winzer Angst. Bei Frost sagen sie: Das passiert nur in den Frostlagen, das Risiko nehme ich in Kauf«, sagt er.

Doch in diesem Jahr ist es anders: Die Kälte kam so früh in der Nacht und so massiv, dass nicht nur die Tallagen, sondern auch die Rebstöcke auf den Höhen etwas abbekamen. Landwirt Rainer Porscha aus dem rheinhessi­schen Badenheim sagt, er habe seine 38 Hektar auf acht Gemeinden verteilt. »Trotzdem haben wir in diesem Jahr überall Ausfälle, mal mehr, mal weniger. In einem Wingert sind es 95 Prozent, woanders 55 bis 60 Prozent.« Er rechnet mit einem Schaden von 150 000 Eu- tisch«, sagt Versichere­r Hurtmanns. »Wir werden in diesem Jahr sehr viele Neuverträg­e machen.« Auch Peter Buchhierl, Vorstandsv­orsitzende­r der Münchener und Magdeburge­r Agrarversi­cherung, sieht ein gesteigert­es Interesse. Ursächlich sei auch der Klimawande­l: Da es im Jahr früher warm sei, trieben die Pflanzen eher aus und würden dann von den eigentlich normalen April- und Maifrösten viel stärker getroffen.

»Kalkulator­isch rechnet sich die Frostversi­cherung für uns nicht«, sagt Buchhierl. Um den Risikoausg­leich überhaupt hinzubekom­men, könnten Versicheru­ngen gegen Frost nur als Kombi-Produkt zusammen mit Hagel abgeschlos­sen werden. Buchhierl fordert, die Prämien zur Ernteversi­cherung staatlich zu subvention­ieren, wie es in vielen anderen EULändern üblich ist. »Deutschlan­d hat da eine isolierte Position inne«, kritisiert er.

Eine Unterstütz­ung der Agrarbetri­ebe wünscht sich auch Inge Sommergut von der Versicheru­ngskammer Bayern. Die fehlenden staatliche­n Gelder führten »zu einem deutlichen Wettbewerb­snachteil der im internatio­nalen Wettbewerb stehenden deutschen Winzer«. Hurtmanns von der Vereinigte­n Hagelversi­cherung glaubt, dass mit Förderung aus der öffentlich­en Hand sogar eine Frostversi­cherung für die Obstbauern möglich wäre. Andernfall­s werde seine Versicheru­ng das nicht anbieten. »Da sind wir stur.«

Nach Auswertung­en des Gesamtverb­ands der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft betragen die Schäden durch Frost an landwirtsc­haftlichen Kulturen rund 42 Millionen Euro pro Jahr. Die Versichere­r beobachten eine Zunahme von Wetterextr­emen. 2015 litten viele Landwirte unter einer extremen Trockenhei­t, 2016 unter lang anhaltende­n Niederschl­ägen, dann 2017 unter Frost. Norbert Schäfer von der Bundesfach­gruppe Obstbau sagt, einige Bauern hätten nun genug. »Gerade in der Rheinschie­ne gibt es Betriebe, die sagen nach den vielen Leidensjah­ren: Wir machen das nur noch im Nebenerwer­b oder steigen peu à peu aus.«

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