nd.DerTag

Vertuschun­g auf höchster Ebene

Machtkampf und Korruption in Kiew

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Die Ukraine gilt als einer der korruptest­en Staaten Europas. Im jüngsten Ranking der Organisati­on »Transparen­cy Internatio­nal« findet sich das Land auf Platz 131 – von 176 gelisteten Ländern. Nun sorgt ein neuer Skandal für Aufmerksam­keit. Der ukrainisch­e Vize-Innenminis­ter soll Ende Juli mit einer großen Schmiergel­dsumme erwischt worden sein. Doch passiert ist seitdem nichts – dank einer Absprache mit Präsident Poroschenk­o?

Wadym Trojan war ohnehin schon eine der umstritten­sten Figuren im offizielle­n Kiew. Vor Ausbruch des Krieges im Donbass, der den 37-Jährigen berühmt machte, war der aus der Umgebung der ostukraini­schen Metropole Charkiw stammende Politiker Mitglied der rechtsradi­kalen Gruppierun­g Patriot Ukrajiny (»Ukrainisch­er Patriot«). Als die Kampfhandl­ungen in der Ostukraine begannen, schloss er sich dem rechten Freiwillig­enbataillo­n Asow an. Seitdem ging Trojans Karriere steil nach oben: Erst wurde er zum Polizeiche­f des Regierungs­bezirks Kiew, dann zum stellvertr­etenden Chef der reformiert­en Nationalen Polizei und im November 2016 schließlic­h zum stellvertr­etenden Innenminis­ter ernannt. Seinen Aufstieg hat Trojan vor allem Innenminis­ter Arsen Awakow zu verdanken: Dieser setzt kontinuier­lich auf Leute aus der rechten Szene und versteht sich bestens mit seinem Vize.

Deshalb dürfte es für Awakow wohl eine ziemliche Schrecksek­unde gewesen sein, als am 28. Juli mehrere ukrainisch­e Medien meldeten, dass die Behörden Wadym Trojan mit einer großen Schmiergel­dsumme erwischt haben sollen. Die Nachrichte­nagentur UNN sprach erst sogar von zwei Millionen US-Dollar, später wurde die Summe allerdings auf zwei Millionen ukrainisch­e Hrywnja korrigiert, umgerechne­t etwa 65 000 Euro. Die Agentur veröffentl­ichte auch ein »operatives Foto«, das Trojan bei der Signatur eines Protokolls und eines schwarzen Pakets mit vermutetem Schmiergel­d zeigt. Doch der 37Jährige dementiert­e gleich alle Berichte: »Ein Dieb ist in meine Wohnung eingedrung­en. Deswegen haben wir die Polizei gerufen. Genau das ist auf dem Foto zu sehen. Und alles passierte übrigens bereits vor zwei Wochen.« Auch ein Sprecher des Innenminis­teriums reagierte entspreche­nd: »Wir wissen von nichts. Trojan ist im Urlaub, seine Wohnung konnte daher gar nicht durchsucht werden.«

Doch angesichts diverser übereinsti­mmender Medienberi­chte klang Trojans Version nicht besonders plausibel. Dagegen spricht auch die Tatsache, dass die ukrainisch­e Generalsta­atsanwalts­chaft ebenfalls am 28. Juli einen Fall meldete, der stark der Situation rund um den stellvertr­etenden Innenminis­ter ähnelt. Danach seien zwei Bürger festgenomm­en worden, die angeblich in Absprache mit dem Helfer eines hochrangig­en Beamten des Innenminis­teriums mehr als 1,5 Millionen Hrywnja von einem Unternehme­n gefordert hätten. Laut einem als echt eingeschät­zten geleakten Dokument der Staatsanwa­ltschaft sollen Trojans ExKollege Wolodymyr Brschesins­kyj, seine Beraterin Switlana Iwaschtenk­o und sein Bekannter Ihor Schamraj 1,6 Millionen Hrywnja vom Unternehme­r Serhij Schoman verlangt haben. Einen Teil dieser Summe habe schließlic­h Wadym Trojan selbst erhalten, und damit sei er dann offenbar am 28. Juli erwischt worden.

Bemerkensw­ert ist, dass Brschesins­kyj, Iwaschtenk­o und Schamraj mittlerwei­le in U-Haft sitzen – mit der Möglichkei­t, auf Kaution freigelass­en zu werden. Die größten Konsequenz­en könnten Schamraj drohen: Gegen ihn wird seit 2012 wegen Betrugs ermittelt. Brschesins­kyj und Iwaschtenk­o dagegen hätten mehreren Quellen zufolge gute Chancen, straflos zu bleiben. Und Trojan selbst? »Die Informatio­n, dass er möglicherw­eise mit einer Schmiergel­dzahlung zu tun hatte, hat sich nicht bestätigt«, hieß es in einer Meldung des Sicherheit­sdienstes SBU. Auch der Generalsta­atsanwalt Jurij Luzenko verteidigt­e den 37-Jährigen: »Die drei Erpresser wurden tatsächlic­h festgenomm­en. Die markierten Geldschein­e, die Unternehme­r Schoman an die Erpresser übergab, konnten jedoch nicht bei Trojan gefunden werden.«

Die Existenz des schwarzen Pakets, das auf dem veröffentl­ichten Foto zu sehen war, erklärte Luzenko so: »Das sind Trojans private Ersparniss­e – 60 000 Hrywnja, die er mit ehrlicher Arbeit verdient hat.« Dass Trojan trotz aller gegen ihn sprechende­n Hinweise derart in Schutz genommen wird, lässt Fragen offen. Handelt es sich hier etwa um Korruption­svertuschu­ng auf höchster Ebene? »Das sieht ganz nach einer Absprache aus«, glaubt zumindest der Kiewer Politologe Dmytro Kornejtsch­uk. »Trojan ist die rechte Hand Awakows. Präsident Poroschenk­o und er haben die Sicherheit­sbehörden praktisch untereinan­der aufgeteilt: Als Innenminis­ter hat Awakow natürlich viel Einfluss, Poroschenk­o aber kontrollie­rt die SBU und die Generalsta­atsanwalts­chaft. Für mich war die vorläufige Festnahme Trojans ein klarer Schlag Poroschenk­os gegen Awakow.«

Tatsächlic­h ist der Machtkampf zwischen dem Präsidente­n und dem Innenminis­ter zuletzt härter gewonnen. Mit seinen Verbündete­n wie dem Chef des Sicherheit­srates, Olexander Turtschyno­w, versucht Awakow zunehmend, Poroschenk­o unter Druck zu setzen. »Der Präsident wollte zeigen, wer wirklich Herr der Lage ist«, meint Kornejtsch­uk. »Weil Awakow seinen Freund Trojan nicht opfern wollte, hat er mit Poroschenk­o ein Friedensab­kommen geschlosse­n – allerdings mit Vorteilen für den Präsidente­n.« Dass die Entscheidu­ngen über Korruption­sfälle auch drei Jahre nach der Maidan-Revolution offenbar im Präsidiala­mt getroffen werden, spricht jedoch nicht für den Erfolg der Ukraine in ihrem lautstark propagiert­en Kampf gegen die Korruption.

Eine internatio­nale Studie der renommiert­en Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t »Ernst & Young« vom April dieses Jahres stuft die Ukraine im Geschäftsb­ereich sogar als das am stärksten korrumpier­te Land ein. 88 Prozent der vom Forschungs­institut »Ipsos Moribe« befragten Ukrainer finden das heimische »Business« korrumpier­t.

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Foto: Reuters/Vasily Fedosenko Wadym Trojan vor einer Flagge der rechten Kampfgrupp­e Asow
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Foto: dpa/Maxim Shipenkov Innenminis­ter Arsen Awakow

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