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Drei Millionen Euro für zwei Baugruben

Brüssel fahndet nach Geldern der Europäisch­en Union für ukrainisch­e Grenzüberg­änge – und hat das Hilfsprogr­amm gestoppt

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Zehn Millionen Euro hat die EU in die Erneuerung ukrainisch­er Grenzüberg­änge investiert. Gebracht hat es wenig. Nun will Brüssel eine Erklärung, wie Kiew die Mittel eingesetzt hat. Rund 2000 Einwohner leben mittlerwei­le in Ustyluh, einer kleinen westukrain­ischen Stadt an der Grenze zu Polen. Bedeutend ist Ustyluh zwar an sich nicht, sehr wohl aber der Grenzüberg­ang Ustyluh-Zosin, den täglich rund 2000 Menschen überqueren, um nach Polen oder in die Ukraine zu gelangen. Und gera- de dieser Grenzpunkt ist mittlerwei­le in einen internatio­nalen Korruption­sskandal geraten. Grundsätzl­ich geht es um rund zehn Millionen Euro, die die ukrainisch­e Zollbehörd­e vor einigen Jahren für die Verbesseru­ng der Grenzinfra­struktur von der Europäisch­en Union erhielt. Dabei bekamt Kiew 2012 gleich sechs Millionen Euro für den Grenzüberg­ang Ustyluh-Zosin. Die erneuerte Anlage sollte bereits vor drei Jahren eröffnet werden. Doch das ist bis heute nicht geschehen, obwohl die allerletzt­e Deadline im Dezember 2016 abgelaufen ist.

Während im polnischen Zosin längst alle Arbeiten erledigt wurden, sind in Ustyluh nur zwei Baugruben zu bemerken. Dabei hat die Zollbehörd­e bereits drei Millionen Euro vergeben. »Für diese Gelder haben wir die nötigen Erdarbeite­n durchgefüh­rt«, versucht Olexander Onikijtsch­uk, Chef des Zollpunkte­s UstyluhZos­in, die für die ukrainisch­e Seite unangenehm­e Situation zu erklären. Die EU aber will solche Erklärunge­n offensicht­lich nicht mehr dulden. In einem Brief verkündete die Europäisch­e Kommission vor kurzem das Ende des Hilfsprogr­amms – wegen des »fehlenden Fortschrit­ts«, wie es in dem Schreiben heißt.

Dies ist zwar für Kiew unangenehm, sollte aber nicht die größten Kopfschmer­zen bereiten. Denn das eigentlich­e Problem liegt woanders. Im selben Brief fordert die EU von der ukrainisch­en Regierung einen detaillier­ten Bericht, wie die Hilfsgelde­r eingesetzt worden sind. Bis Ende August soll der Report vorbereite­t werden, die ukrainisch­en Zoll- und Grenzbehör­den arbeiten mit Hochdruck daran. Es sollte kein Problem werden, die Verwendung der finanziell­en Mittel zu erklären, heißt es in der Hauptstadt.

Doch so einfach wird das nicht. Und sollte man die Effizienz beim Einsatz der Gelder nicht nachweisen können, muss Kiew das Geld zurückzahl­en – und zwar die ganzen zehn Millionen Euro. Olexander Dubinskyj, der ukrainisch­e Journalist, der den Brief der Europäisch­en Kommission öffentlich gemacht hat, glaubt fest daran, dass dies der Fall sein wird. »Die Ukraine wird diese Millionen zurückzahl­en müssen, in Insiderkre­isen wird das schon als Tatsache gehandelt«, sagt Dubinskyj, einer der bekanntest­en Wirtschaft­sjournalis­ten des Landes. »Für Kiew ist es natürlich eine Schande, doch zwei Baugruben für drei Millionen Euro lassen sich nicht erklären.«

Ein solcher Skandal könnte für die sowieso kriselnden Beziehunge­n zwischen Brüssel und Kiew gravierend­e Folgen haben. Der letzte EU- Ukraine-Gipfel, der im Juli in der ukrainisch­en Hauptstadt stattfand, war alles andere als ein Erfolg: Zum zweiten Mal in Folge konnten sich die Parteien auf keine Abschlusse­rklärung einigen. Doch es geht nicht nur um die große Politik.

Nachdem die EU die Visapflich­t für Ukrainer im Juni aufgehoben hat, sind die ohnehin großen Schlangen an der Grenze zwischen Ukraine und Polen noch deutlich größer geworden. Daher wäre die Erneuerung der ukrainisch­en Grenzüberg­änge gerade jetzt notwendige­r denn je. Doch das erweist sich als schwierig – und Schuld daran hat fast ausschließ­lich Kiew.

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