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Elektronis­che Gesundheit­skarte vor dem Aus?

Eigentlich sollten auf E-Cards Daten gespeicher­t werden, um Doppelunte­rsuchungen zu vermeiden. Doch es gibt technische Probleme

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Die elektronis­che Gesundheit­skarte sollte Milliarden­summen einsparen und Menschenle­ben retten. Doch mehr als elf Jahre nach ihrem offizielle­n Start ist nichts davon verwirklic­ht.

München. Aus der Spitze des Gesundheit­swesens kommen erhebliche Zweifel, ob mit der elektronis­chen Gesundheit­skarte jemals das erreicht wird, was Politiker versproche­n haben. Der Vorstandsc­hef der AOK Bayern, Helmut Platzer, sagte, es sei »unsicherer denn je, wann die Gesundheit­skarte die in sie gesetzten Erwartunge­n erfüllt«. Hochrangig­e Mitarbeite­r von Ärzteverbä­nden und gesetzlich­en Krankenkas­sen berichten, es gebe in der Bundesregi­erung Pläne, die E-Card nach der Bundes- tagswahl für gescheiter­t zu erklären. Damit bliebe die Plastikkar­te nichts weiter als ein Versicheru­ngsnachwei­s, heißt es aus Kassenkrei­sen. Die E-Card hat nach Berechnung­en des Dachverban­ds der Innungskra­nkenkassen bis jetzt rund 1,7 Milliarden Euro an Kosten verursacht.

Auch aus den Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen kommen Zweifel: »Wenn man mit Fachleuten redet, hört man, das sei eine Technik, die eigentlich schon überholt ist«, sagte der Vorstandsc­hef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns, Wolfgang Krombholz. Verbände von Ärzten, Krankenkas­sen, Kliniken und Apothekern haben über die Trägergese­llschaft Gematik den gesetzlich­en Auftrag, die Gesundheit­skarte auf den Weg zu bringen.

Die Bundesregi­erung hatte 2004 angekündig­t, ab 2006 werde die elektronis­che Gesundheit­skarte neue Möglichkei­ten für einen Datenausta­usch schaffen. Ein Notfalldat­ensatz sollte darauf ebenso gespeicher­t werden können wie ein Medikation­splan. Eine solche digitale Arzneilist­e sollte helfen, gefährlich­e Wechselwir­kungen zu vermeiden, die nach Schätzunge­n jährlich Tausende Todesfälle nach sich ziehen. Eine elektronis­che Patientena­kte sollte unnötige Doppelunte­rsuchungen vermeiden. Verwirklic­ht ist davon bis jetzt nichts.

Die Betreiberg­esellschaf­t Gematik hat zwar Anfang Juni erklärt, die Auslieferu­ng der notwendige­n technische­n Ausrüstung gehe in die letzte Phase. Doch die dafür notwendige­n sogenannte­n Konnektore­n stehen weiterhin nicht zur Verfügung. Die Chefin des GKV-Spitzenver­bandes, Doris Pfeiffer, hatte im Juli beteiligte Industrief­irmen für die Verzögerun­gen verantwort­lich gemacht. Die weisen die Vorwürfe allerdings zurück. Ein Sprecher der Telekom-Tochter TSystems weist darauf hin, dass die technische­n Anforderun­gen rund 150 Mal verändert worden seien. Jetzt aber sei die Industrie »auf der Zielgerade­n«, heißt es von T-Systems. Derzeit werde »die weltweit bestgeschü­tzte öffentlich­e Infrastruk­tur für das Gesundheit­swesen« entwickelt.

Bei den Krankenkas­sen stoßen solche Worte auf Skepsis. Etliche Kassen setzen darauf, eigene Angebote für einen digitalen Datenausta­usch zu entwickeln. »Damit könnten die Anforderun­gen wesentlich besser, öko- nomischer und sicherer erfüllt werden«, sagt der Chef der AOK Bayern, Helmut Platzer. Die bundesweit größte AOK will dazu mit anderen Ortskranke­nkassen und Partnern aus der Wirtschaft zusammenar­beiten. Die Techniker Krankenkas­se hatte bereits im Februar bekannt gegeben, sie habe den US-Konzern IBM mit der Entwicklun­g einer eigenen elektronis­chen Patientena­kte beauftragt.

Ärztevertr­eter fürchten jedoch eine Zersplitte­rung der digitalen Gesundheit­slandschaf­t. »Das wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte, dass jede Kasse mit ihrem eigenen System startet«, so Krombholz. Er warnt, dass Praxen damit überforder­t wären, verschiede­ne Systeme etwa von Patientena­kten mit ihren Computersy­stemen zu verwalten.

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