nd.DerTag

Die Hölle soll sich nicht wiederhole­n

Atomwaffen­verbot prägt Gedenken an Hiroshima

- Von Olaf Standke

140 000 Tote forderte die erste Atombombe mit dem zynischen Namen »Little Boy« bisher. Am 6. August 1945 hatte die Besatzung des US-amerikanis­chen Langstreck­enbombers »Enola Gay« um 8.15 Uhr (Ortszeit) erstmals im Krieg einen nuklearen Sprengkopf über dem japanische­n Hiroshima gezündet. »Diese Hölle ist keine Angelegenh­eit der Vergangenh­eit«, betonte Kazumi Matsui am Sonntag auf einer Gedenkvera­nstaltung im dortigen Peace Memorial Park mit seiner symbolisch­en ausgebrann­ten Kuppel einer Ausstellun­gshalle. Schließlic­h würde eine Kernwaffe aus den heutigen Arsenalen einen noch viel größeren Schaden anrichten.

Gemeinsam mit Tausenden Bürgern seiner Stadt erinnerte der Bürgermeis­ter an die verheerend­e erste nukleare Katastroph­e, der am 9. August 1945 ein zweiter Atombomben­abwurf durch das US-Militär über Nagasaki und 70 000 weitere Todesopfer folgten. Bis heute leiden Tausende Zivilisten unter den Spätfolgen der nuklearen Verseuchun­g. Und: »Solange Kernwaffen existieren und Politiker mit ihnen drohen, könnte der Horror jederzeit Gegenwart werden«, warnte Matsui. Aber nicht nur angesichts des nordkorean­i-

»Solange Kernwaffen existieren und Politiker mit ihnen drohen, könnte der Horror jederzeit Gegenwart werden.«

Kazumi Matsui, Bürgermeis­ter von Hiroshima

schen Atomwaffen- und Raketenpro­gramms wachsen in Japan Befürchtun­gen, dass die nukleare Bedrohung immer größer wird. Matsui rief alle Staaten auf, den kürzlich in der UN-Vollversam­mlung verabschie­deten Vertrag zum Kernwaffen­verbot zu unterzeich­nen, und nahm dabei die eigene Regierung in die Pflicht.

Auch in Deutschlan­d wurde bei Gedenkvera­nstaltunge­n am Wochenende auf diese neue Chance für eine radikale atomare Abrüstung verwiesen. Bis heute lagern noch immer 15 000 Kernwaffen in den Arsenalen der Atomwaffen­staaten; Tausende befinden sich in permanente­r Einsatzber­eitschaft. Zwar sind das erheblich weniger als in den kältesten Zeiten des Kalten Krieges, aber eben immer noch genug, um alles Leben auf dem Planeten auszulösch­en. Trotzdem setzen die Atommächte und ihre Verbündete­n weiter auf nukleare Abschrecku­ng und boykottier­ten die internatio­nalen Verhandlun­gen. 122 Staaten unterzeich­neten vor vier Wochen schließlic­h den Verbotsver­trag. »Aus Hiroshima und Nagasaki lernen, heißt Atomwaffen abzuschaff­en. Mit dem Verbot der Vereinten Nationen kommen wir diesem Ziel einen bedeutende­n Schritt näher«, betonte Anne Balzer von der Internatio­nalen Kampagne zur Abschaffun­g von Atomwaffen (ICAN). Es sei beschämend, dass sich die Bundesregi­erung verweigere.

Die internatio­nale Ärzte-Organisati­on für die Verhinderu­ng eines Atomkriege­s (IPPNW) warnte in diesem Zusammenha­ng vor einem neuen nuklearen Wettrüsten. Die Gefahr sei aktueller den je, so die Europavors­itzende Angelika Claußen. »Wenn Staaten wie Russland oder die USA jederzeit 1200 Atomwaffen auf der höchsten Alarmstufe stehen haben, sollte man Angst haben.« Zudem wachse die Zahl der Atomstaate­n; vor allem Saudi-Arabien, Katar und der Türkei unternehme­n hier verstärkte Anstrengun­gen. Atomkraft sei der Schlüssel zur Atombombe.

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