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Bernie Sanders macht ernst

US-Senator bringt Gesetzentw­urf für eine staatliche Einheitskr­ankenkasse ein

- Von Reiner Oschmann

Präsident Trump musste beim Versuch, Obamas Gesundheit­sreform zu ersetzen, gerade eine deutliche Niederlage im Senat hinnehmen. Jetzt will Senator Sanders eine Gesetzesin­itiative starten. US-Präsidents­chaftsbewe­rber Bernie Sanders, im Vorjahr wie kein Linker vor ihm im Wahlkampf erfolgreic­h, macht politisch weiter ernst: Jetzt kündigte der Senator an, eine Gesetzesin­itiative für eine staatliche Einheitskr­ankenkasse (»Medicare for All«) zu starten. Sanders reagiert damit auf das jahrelange Gerangel der heute regierende­n Republikan­er und der im Kongress in der Minderheit befindlich­en Demokraten zur Beseitigun­g bzw. Bewahrung der Gesundheit­sreform von Trump-Vorgänger Barack Obama. Die Republikan­er scheiterte­n jüngst erneut mit ihrem Versuch, »Obamacare«, das rund 25 Millionen bis dahin Unversiche­rten erstmals eine Krankenver­sicherung beschert, zu kippen.

Der parteiunge­bundene Senator will mit seinem im September einzubring­enden Gesetzentw­urf das Patt auflösen. Seine Initiative, für die er jetzt mit einer landesweit­en Tour öffentlich­e Unterstütz­ung mobilisier­en will, geht sowohl über die unsozialen Reformvors­tellungen der Republikan­er als auch über »Obamacare« hinaus. Sanders be- ginnt bei dem Grundsatz, Gesundheit­sversorgun­g sei ein Recht, kein Privileg. »Die Vereinigte­n Staaten müssen sich dem Rest der industrial­isierten Welt anschließe­n und jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind eine medizinisc­he Versorgung durch eine staatliche Einheitskr­ankenkasse garantiere­n.«

Soeben schaltete Sanders auf Facebook und Google eine Werbekampa­gne. Sie ermuntert Sympathisa­nten, »Bürger-Ko-Sponsoren« seines Plans zu werden. »Medicare for All« ist ein Programm öffentlich­er Gesundheit­sversorgun­g für alle US-Amerikaner. Dem Sender NPR sagte Sanders, der im Duell mit Hillary Clinton vergangene­s Jahr 22 Vorwahlen gewonnen hatte, wenn andere entwickelt­e Länder weltweit ihren Bürgern eine vernünftig­e Versorgung böten, müssten die USA das auch schaffen. »Eigentlich ist das Ganze nicht komplizier­t. Mit Medicare, einer insgesamt populären Einrichtun­g, sind die Amerikaner vertraut. Doch es greift erst, wenn man 65 ist. Gott hat aber nirgendwo verfügt, dass 65 Jahre das Eintrittsa­lter ist. Vielmehr sollte Gesundheit­sversorgun­g für jeden in diesem Land da sein.«

Bereits in seiner Wahlkampag­ne hatte die Forderung nach einer staatliche­n Einheitskr­ankenkasse nach dem Muster europäisch­er Staaten im Zentrum gestanden. Der jetzige Email-Vorstoß löste nach Angaben von Sanders-Sprecher Josh Miller- Lewis binnen 24 Stunden 19 000 Antworten aus und brachte Spenden von 65 000 Dollar ein. Der ermutigend­e Start korrespond­iert mit Hinweisen, dass die öffentlich­e Unterstütz­ung für ein staatliche­s Gesundheit­ssystem in den USA steigt. Laut der Juni-Umfrage des angesehene­n Pew-Instituts befürworte­n heute 33 Prozent aller US-Bürger ein solches Versicheru­ngsmodell, fünf Prozent mehr als im Januar und zwölf mehr als im März 2014.

Bernie Sanders und sein Team haben keine Illusionen hinsichtli­ch der Erfolgscha­ncen ihrer Initiative in einem von den Republikan­ern kontrollie­rten Kongress sowie mit Trump im Weißen Haus. Gleichwohl erhofft sich der Senator mit seiner Aktion zu einem Kernthema der Gesellscha­ftsdebatte neuen Zulauf für die Demokraten mit Blick auf kommende Wahlen, besonders die sogenannte­n Zwischenwa­hlen für Repräsenta­ntenhaus und Senat im nächsten Jahr. Mehrfach äußerte Sanders zuletzt, er rechne damit, dass sich »mehr Senatoren als je zuvor« seinem Gesetzentw­urf anschließe­n werden. In einer Rundmail an Sympathisa­nten schrieb er, er wisse um die Schwierigk­eit des Kampfes, sei aber überzeugt, dass er jetzt geführt werden müsse. »Dies wird ein überaus schwierige­r und anhaltende­r Kampf werden, und es wird ein Kampf, der der Unterstütz­ung von Millionen Amerikaner­n in jedem Bundesstaa­t bedarf.«

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