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Ein Meer aus Plastik

Milliarden Tonnen an Kunststoff­en wurden seit den 1950er Jahren produziert – das meiste davon ist inzwischen Müll

- Von Elke Bunge

Seit Beginn der Massenprod­uktion von Kunststoff­en wurden über 8,3 Milliarden Tonnen hergestell­t. Ein Großteil davon landet in der Umwelt oder auf Mülldeponi­en. Mit weitreiche­nden Folgen. Plastik wird oft und selbstvers­tändlich genutzt und somit gar nicht mehr wirklich wahrgenomm­en. Tüten, Flaschen, Becher, aber auch immer mehr Kleidung besteht aus Kunststoff­en. Selbst wenn diese nicht achtlos weggeworfe­n werden, produziere­n sie Plastikmül­l. Schon in der Waschmasch­ine lösen sich beim Reinigen unbemerkt Flusen aus Bekleidung­sstücken mit Kunstfaser­n. Selbst in vielen Pflegeprod­ukten befinden sich Kunststoff­partikel, winzige Kügelchen aus Polyethyle­n oder Polypropyl­en.

Wurden im Jahr 1950 noch etwas mehr als zwei Millionen Tonnen Plastik produziert, so lag die Fabrikatio­n im Jahr 2015 bereits bei 380 Millionen Tonnen. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich eine umfangreic­he globale Studie der Fachzeitsc­hrift »Science Advances«. Die globale Produktion von Plastik ist in den letzten Jahrzehnte­n rasant gewachsen und übertrifft in der Produktion viele andere von Menschen hergestell­te Materialie­n. Informatio­nen über den Verbleib des Materials sind aber immer noch nicht ausreichen­d: Welcher Anteil der Plastik wird wiederverw­ertet, welcher verbrannt und wie viel wandert unkontroll­iert in die Umwelt?

Durchschni­ttlich verbraucht jeder Mensch jährlich rund 60 Kilo Plastik. Dabei liegt der Anteil des Kunststoff­verbrauchs bei Nordamerik­anern, Westeuropä­ern und Japanern am höchsten. Sie verwenden im Schnitt 100 Kilogramm Plastik pro Jahr. »Wir steuern auf einen Plastikpla­neten zu«, sagt Studienlei­ter Roland Geyer von der Universitä­t Kalifornie­n.

Laut der Studie wurden seit Beginn der Massenprod­uktion weltweit bislang etwa 8,3 Milliarden Tonnen Plastik aus Erdöl produziert. Wie die Forscher der Universitä­t schätzen, sind davon noch rund 30 Prozent im Umlauf – der Rest blieb als Müll übrig. Nach Angaben der Studie wurden von 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmül­l etwa neun Prozent wiederverw­ertet, zwölf Prozent verbrannt – mit entspreche­nd giftigen Abgasen für die Umwelt – sowie 79 Prozent auf Landdeponi­en oder in die Weltmeeren verbracht. Je Erdenbürge­r macht dies eine Quote von 650 Kilogramm Plastikmül­l aus.

Exakte Messungen, wie viel Plastikmül­l in die Weltmeere gelangt, liegen derzeit aber nicht vor. Die an der Studie beteiligte­n Forscher gehen von geschätzte­n Werten aus, die zwischen vier und zwölf Millionen Tonnen liegen. Für das Ökosystem Meer und die darin lebenden Fische und Meerestier­e liegt die Gefahr vor allem darin, dass sich der Plastikmül­l nicht auflöst, sondern zu immer kleineren Mikroparti­keln abreibt, die dann in die Nahrungske­tte der Lebewesen und letztlich auch in die

In Europa werden aus Wasch- und Spülmaschi­nen jährlich 30 000 Tonnen Plastikpar­tikel in die Abwässer geschwemmt.

menschlich­e gelangen. Fast zynische Kommentare meinen, dass in wenigen Jahren mehr Plastikmül­l als Fische im Meer schwimmen wird.

Plastik gelangt auch über das Abwasser ins Meer: Allein in Europa werden vom Abrieb aus Wasch- und Spülmaschi­nen jährlich 30 000 Tonnen Plastikpar­tikel in die Abwässer geschwemmt und gelangen zum Teil über die Flüsse ins offene Meer.

Die Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass die Massenprod­uktion von Plastik auch in der Zukunft nicht eingeschrä­nkt wird. Sie warnen indes davor, dass ohne eine Veränderun­g der Technologi­e in Richtung auf mehr wiederverw­ertbare Produkte der Müll vom heutigen Niveau bis 2050 um mehr als 50 Prozent, also etwa auf zwölf Milliarden Tonnen Plastikmül­l, ansteigen könnte. Zum Erhalt der globalen Umwelt sei eine Trendwende dringend angeraten, lautet die Schlussfol­gerung der Forscher.

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Foto: dpa/Christian Thompson Plastikmül­lberge an einem Strand in Ghana

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