nd.DerTag

Alles für die Start-ups, oder?

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Lieber spät als nie – dachte sich wohl der Senat, als er sich drei Jahre nachdem die Bundeskanz­lerin das »Neuland« Internet betreten hatte, die Digitalisi­erung auf die Fahnen schrieb. »Die Digitalisi­erung von Wirtschaft und Gesellscha­ft bietet große Chancen für Berlin«, titelt der Koalitions­vertrag vom letzten Jahr. Seitdem kaum eine Erklärung, kein Presseterm­in, in der die Senatoren und der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) nicht von den Chancen und Möglichkei­ten der Digitalisi­erung schwärmen und Start-ups umschmeich­eln.

Bloß, es fehlt an einer digitalen Vision. Müller wünscht sich autonomfah­rende elektrisch­e Kleinbusse, aber keine Abkehr vom Privatverk­ehr. Noch als Stadtentwi­cklungssen­ator ließ er für den Ausbau der A100 Menschen aus ihren Häusern schmeißen und diese abreißen. Sehr zur Freude der deutschen Autoindust­rie – der Müller nun vorwarf, die Zukunft zu verschlafe­n, da sie noch auf den Verbrennun­gsmotor setze.

Der Regierende Bürgermeis­ter und die Wirtschaft­ssenatorin ergötzen sich an Start-ups wie an goldenen Kälbern. In der Hoffnung, dass diese Wirtschaft­swachstum kreieren und damit Jobs. Nur, viele dieser Arbeitsplä­tze lassen schaudern: Eine Schar prekär Beschäftig­ter erwirtscha­ftet riesige Gewinne, von denen sie ausgeschlo­ssen sind.

Die Digitalisi­erung darf nicht den Unternehme­n überlassen werden. Dass Problem ist nur: dem Senat auch nicht. Was bleibt, sind die allgemeinw­ohlorienti­erten Gruppen und Aktivisten, die ihr Recht einfordern, die Stadt mitzugesta­lten. Dass wäre aber alles andere als effizient. Basisdemok­ratische Entscheidu­ngen über den BER? Der Vogel wäre abgeflogen.

Vielleicht wäre das gar nicht das schlechtes­te. Eine lebenswert­e Stadt sollte sich über Teilhabe und Zugang definieren, über eine lebenswert­e Umwelt, über Freiraum und Lebensqual­ität – nicht über Effizienz und Überwachun­g. Nur die Verwaltung, die sollte dann doch digitalisi­ert werden.

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Foto: nd/Wanja Wegener Alexander Isele findet, dass eine digitale Vision für die Stadt fehlt.

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