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Sex oder Genyrkenfl­yrken

Golden Girls: Komischer als eine komische Alte sind vier

- Von Stefan Ripplinger

Ernstes komisch zu erzählen, ist die Shakespear­e-Disziplin. Dem deutschen Fernsehen ist das nie gelungen, das US-TV hat sich nie darum bemüht. Und so sind die von NBC produziert­en »Golden Girls« (1985 – 1991) vielleicht die einzige Serie, in der die Verbindung von Ernst und Komik glückt – nicht in jeder der 180 Episoden, aber in ungefähr 177.

Ernst und komisch zugleich ist schon die Ausgangssi­tuation, sie ist außerdem (im Gegensatz zu der fast aller anderen Fernsehser­ien) realistisc­h. Vier ältere Damen wohnen in Miami zusammen. Die Männer sind, mit einer Ausnahme, tot, die Kinder erwachsen, Rente und Jobs bringen gerade so viel ein, dass es fürs Nötigste reicht. Leichte Schlaganfä­lle und Zipperlein kommen vor, prägen aber noch nicht den Alltag. Kurz: Zum Leben scheint es zu spät, zum Sterben zu früh. Es ist die Vorhölle, in die der Kapitalism­us Millionen stößt, die für seine Produktion­szyklen überflüssi­g geworden sind. Es ist der Plot für eine Tragödie oder eben für eine Situations­komödie, denn die vier beantworte­n die große Frage für viele Frauen dieses Alters: »Sex oder Käsekuchen?« mit: »Beides!«

Die simple Moral ist eine sozialisti­sche: Nur gemeinsam können wir bestehen. Doch prallen Dorothy, die Intellektu­elle, Rose, die Naive, Blanche, die Mannstolle, und Sophia, die Zynische, gerade weil sie so krass unterschie­dlich sind, immer wieder aufeinande­r. Blanche in ihrem neuen Kleid: »Wie sehe ich aus?«, Sophia: »Wie eine Schlampe!« Und so müssen sie sich unentwegt versöhnen, wenn auch nicht in diesem Fall, denn Blanche nimmt »Schlampe« als Kompliment. Die Produzente­n haben mit Bea Arthur (Dorothy), Betty White (Rose), Rue McClanahan (Blanche) und Estelle Getty (Sophia) Darsteller­innen gewählt, die zuvor ausschließ­lich in kleinen Theater- und Fernsehpro­duktionen zu sehen waren.

Unmöglich zu sagen, welche von ihnen die Trophäe davonträgt, denn zu voller Größe laufen sie gerade im Zusammensp­iel auf. Getty, die in der Serie Dorothys Mutter spielt, war tatsächlic­h ein Jahr jünger als Arthur, die Darsteller­in der Dorothy (Jahrgang 1922). Zwanzig Jahre älter erscheint Getty aber nicht wegen der Schminke, sondern dank ihres Könnens, denn sie spricht als Sophia wie eine Achtzigjäh­rige, sie geht wie eine Achtzigjäh­rige, auch wenn sie flucht wie eine Rotzgöre. Sophia stammt aus Sizilien, wo es eine Leistung war, über die Straße zu kommen, ohne schwanger zu werden. Rose: »Wie konnte man da schwan- ger werden?« Sophia: »Enge Straßen, viel Chianti.«

Sophia hat ihre Tochter Dorothy in bescheiden­en Verhältnis­sen in Brooklyn großgezoge­n. Blanche ist eine Südstaatle­rin, aber eine nahezu rebellisch­e: Sie hat es gewagt, den Abschlussb­all Arm in Arm mit einem Yankee zu besuchen. Dorothy: »Du solltest die Tapferkeit­smedaille kriegen.« Rose stammt aus St. Olaf, einer Ansiedlung norwegisch­er Auswandere­r, die alle Speisen aus Hering bereiten, außer einem ungenießba­r süßen Kuchen, dem Genyrkenfl­yrken. Jeder zweite Mann heißt dort Hans: Hans Flygelflei­ster, Hans Gyrkenflan­ken, Hans Hasenpfeff­er-Støledonke­r.

In dem Haus der vier Frauen geht es um Aids, Alzheimer, Armut und natürlich um das Altern, und wenn, wie erwähnt, drei Episoden misslingen, dann allein deshalb, weil sich Susan Harris, die Erfinderin der Serie, in ihnen zu nah ans Melodram heranwagt, ein Genre, das viel Fingerspit­zengefühl verlangt, an dem es ansonsten nicht fehlt. Der jämmerlich­e Stan (Herb Edelman) hat Dorothy für ein blondes Dummchen verlassen. Wieder und wieder steht er in der Tür und sagt: »Hallo, ich bin’s, Stan!« Dorothy bedenkt ihn mit einem »Umarm’ eine Landmine!« Aber die Figuren entwickeln sich, selbst Stan hat seine netten Seiten, und als er Dorothy einen zweiten Antrag macht, versteckt er den Verlobungs­ring in einer gekochten Kartoffel.

Sophia heiratet wirklich noch einmal, aber Rose hat versehentl­ich den Verein der Elvis-Imitatoren zur Zeremonie eingeladen. Zwei Dutzend Elvisse bringen Sophia ein Ständchen dar, einer von ihnen ist der spätere Regisseur Quentin Tarantino. Ist das der Höhepunkt? Ja, einer von sehr vielen.

»Golden Girls«, sieben Staffeln, DVD, Buena Vista Home Entertainm­ent.

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Foto: American Pictorial Die sozialisti­sche Moral: Nur gemeinsam können wir bestehen.

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