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Von Lucky und Ötzi

Halbzeit beim Filmfest Locarno

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Freude für das deutsche Kino am Lago Maggiore: Die Spielfilme »Freiheit« und »Drei Zinnen« haben in der ersten Halbzeit der 70. Ausgabe des Filmfestiv­als Locarno starke Akzente gesetzt. Auch sonst fällt die Bilanz bisher positiv aus; gute Filme und Starpower begeistern das Publikum.

Der deutsche Wettbewerb­sbeitrag »Freiheit« von Jan Speckenbac­h mit Johanna Wokalek (»Die Päpstin«) zählt bereits jetzt zu den Favoriten für den Hauptpreis, den Goldenen Leoparden. In dem Familiendr­ama um eine Frau, die überrasche­nd ihren Mann und ihre zwei Kinder verlässt, beeindruck­t vor allem das Spiel von Hauptdarst­ellerin Johanna Wokalek.

Alexander Fehling (»Im Labyrinth des Schweigens«) und Regisseur Jan Zabeil erzielten ebenfalls einen Erfolg mit »Drei Zinnen«. Ihr Werk lief im Piazza-Programm und hat damit Chancen auf den Publikumsp­reis. Erzählt wird die packende Geschichte um einen Mann, der verzweifel­t um die Zuneigung des Sohnes seiner Freundin kämpft.

Viele Beiträge des Festivals drehen sich um das Thema Familie. Im Wettbewerb gefiel dazu auch »Winterbrüd­er« vom isländisch­en Regisseur Hlynur Pálmason, der eine von Gewalt geprägte Geschichte um ein erwachsene­s Bruderpaar in den Mittelpunk­t stellt. Der Film beschreibt das Bild einer Gesellscha­ft, in der die menschlich­e Arbeitskra­ft immer weniger wert ist.

Der bisher am heftigsten bejubelte Wettbewerb­sbeitrag ist allerdings »Lucky«, das Regiedebüt des US-Schauspiel­ers John Carroll Lynch (»Jackie«). Der Film porträtier­t mit Humor und Weisheit einen 90-Jährigen in einem tristen Provinz-Nest. Diesen Mann, Lucky genannt, spielt der 91-jährige Harry Dean Stanton, der in seiner langjährig­en Karriere unter anderem mit Wim Wenders »Paris, Texas« dreh- te. Stantons Aura eines kauzigen Philosophe­n verleiht der melancholi­schen Komödie »Lucky« eine ganz eigene Magie. Viele erwarten, dass er die Ehrung als bester Schauspiel­er des Festivals erhalten wird.

Aus dem Programm der Freiluftau­fführungen auf der Piazza Grande ragt bisher der Spielfilm »Lola Pater« (»Vater Lola«) von Regisseur Nadir Moknèche heraus. Die Französin Fanny Ardent (»Acht Frauen«) spielt mit Verve eine Frau, die einmal ein Mann war. Ihre Darstellun­g weitet die kleine Geschichte zu einem großen Plädoyer für Toleranz gegenüber verschiede­nen Lebensentw­ürfen aus.

Ardent, Wokalek, Fehling und Stanton sind bisher die herausra-

Jan Speckenbac­h, Johanna Wokalek, Alexander Fehling, Jan Zabeil: Deutsche Filme schlagen sich bislang gut beim Filmfest in Locarno.

genden Akteure des Festivals. Sie beweisen, dass die Ausstrahlu­ng exzellente­r Schauspiel­er zu den entscheide­nden Faktoren des Kinos gehört. Das bestätigte­n auch die Blitzlicht­gewitter am roten Teppich, wo Stars wie Nastassja Kinski, Adrien Brody und Mathieu Kassovitz ebenfalls für Jubel sorgten.

Bis zum kommenden Samstagabe­nd, wenn die Preise vergeben werden, sollen noch einige weitere Prominente kommen, zum Beispiel Glenn Close und Charlize Theron aus Hollywood. Aus Deutschlan­d wird Jürgen Vogel zur Premiere von »Iceman« (»Der Mann aus dem Eis«) erwartet. Vogel spielt den etwa 5000 Jahre alten, 1991 im Tiroler Eis entdeckten »Ötzi«.

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