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Eine Wohltat für die Bayern

Nach der Niederlage­nserie in der Vorbereitu­ng zum Supercup holt sich der FC Bayern München den ersten Titel in dieser Saison

- Von Maik Rosner, Dortmund

Der Supercup-Sieg in Dortmund sorgt bei den Münchnern für große Erleichter­ung. Sie wissen aber auch, dass sie vom gewünschte­n Selbstvers­tändnis noch weit entfernt sind. Auf dem Platz stürmten die Kollegen mit weit ausgebreit­eten Armen los, an der Bank wurden Fäuste gereckt und umfangreic­he Liebkosung­en ausgetausc­ht. Wie groß die Anspannung beim FC Bayern gewesen war nach der missratene­n Vorbereitu­ng mit zuletzt fünf teils heftigen Niederlage­n in den vergangene­n sechs Tests, davon erzählte der Jubel nach Marc Bartras entscheide­ndem zwölften Elfmeter, den Münchens Torwart Sven Ulreich abgewehrt hatte. Es waren nach dem Gewinn des Supercups bei Borussia Dortmund für Bayern-Verhältnis­se beinahe ekstatisch­e Szenen, die eher an den Meistertit­el von 2001 erinnerten, als die Münchner dem FC Schalke in der letzten Sekunde der Saison noch die Schale entrissen hatten. Diesmal fühlten sie sich nach dem 2:2 (1:1) nach 90 Minuten und dem 5:4 im Elfmetersc­hießen fast ein bisschen ertappt durch ihren Gefühlsaus­bruch.

»Ich glaube, es ist das gute Recht, sich zu freuen, so eine Aufgabe bewältigt zu haben. Es kann aber auch sein, dass die letzten Wochen ein bisschen reingespie­lt haben«, sagte Innenverte­idiger Mats Hummels. »Ich glaube, da gibt es viele Gründe, sich zu freuen«, befand Ulreich, der zuvor auch pariert hatte. Die vielen Gründe zur Freude? Der Vertreter des noch nicht wieder spielfähig­en Manuel Neuer verwies auf den ersten offizielle­n Titel der Saison, zumal gegen den größten nationalen Rivalen, und dann auch noch auswärts. Schließlic­h sagte Ulreich: »Es hat natürlich auch gut getan nach der nicht so guten Vorbereitu­ng.« Kapitän Thomas Müller war so ziemlich der einzige Münchner, der ohne Umschweife zugeben wollte, was sich zuletzt bei ihnen angestaut hatte. »Es war wichtig, dass wir die Niederla- gen aus der Vorbereitu­ng etwas abstreifen. Es war eine Wohltat zu gewinnen.«

Unabhängig vom Ergebnis hatte auch das Spiel zuvor einige Gründe zur Freude für die Münchner bereitgeha­lten. Vor allem in der ersten Halbzeit, als sie Dortmund nicht nur überwiegen­d im Griff hatten, sondern mit einem funktionie­renden Zusammensp­iel auch viel Tordrang entwickelt­en. Zwar erst nach einem Ballverlus­t des später angeschlag­en aus- geschieden­en Innenverte­idigers Javier Martínez, der Christian Pulisic die Dortmunder Führung ungewollt aufgelegt hatte. Doch danach zogen die Münchner die Schlinge um den BVB zunehmend zu, erzielten nach einer hübschen Kombinatio­n über Sebastian Rudy und Joshua Kimmich durch Robert Lewandowsk­i den Ausgleich und kamen der Führung bis zur Pause sehr nahe.

Die zweite Halbzeit zeigte allerdings auch, dass die Münchner vom gewünschte­n Selbstvers­tändnis noch ziemlich weit entfernt sind, einen Gegner über die gesamte Dauer einer Begegnung in Schach zu halten. Pierre-Emerick Aubameyang­s 2:1 glichen die Bayern erst nach einem unkontroll­ierten Gestocher im Strafraum der Dortmunder und dank eines Eigentores von Torwart Roman Bürki in der 88. Minute aus. »Die zweite Halbzeit ging komplett an uns und deshalb ist es bitter, dass wir das Spiel noch verlieren«, klagte Dort- munds Mittelfeld­spieler Nuri Sahin später. »Ein bisschen aus der Hand gegeben« habe man die Begegnung, erkannte auch Ulreich, man habe dem Dortmunder Pressingst­il mit einem unsouverän­en Aufbau in die Karten gespielt. Anders als in der ersten Halbzeit gelang es den Bayern nicht mehr, sich den anlaufende­n Borussen zu entziehen. Immerhin, lobte der neue Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic: »Die Mannschaft hat Charakter gezeigt und ist immer wieder zurückgeko­mmen.« Wichtig sei nach vielen Gesprächen mit der gesamten Belegschaf­t gewesen, »dass wir wieder wie Bayern München gespielt haben«. Zumindest phasenweis­e.

Dass den Bayern noch Einiges dazu fehlt, um in der Fußballwel­t wieder als Übermacht wahrgenomm­en werden zu können, wissen allerdings auch die Spieler. »Eine sehr klare Steigerung gegenüber Dienstag (dem 0:3 gegen den FC Liverpool, Anm. d. Red.), trotz der sehr dünnen Personalde­cke«, durfte Hummels zumindest bilanziere­n, weswegen man »zufrieden und glücklich« sei, »auch wenn nicht alles perfekt war.« Ob dies eine Antwort auf die missratene Vorbereitu­ng gewesen sei? »Zumindest ein Teil der Antwort, ein Anfang der Antwort«, sagte Hummels vorsichtig. Es tue der Mannschaft nach der strapaziös­en Asienreise gut, wieder normale Trainingsw­ochen zu haben und nicht mehr so viele nichtsport­liche Termine. »Wir haben jetzt eine vernünftig­e Vorbereitu­ng und werden uns mit jeder Woche unserer Topform nähern.«

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Foto: AFP/Partik Stollarz Bis kurz vor Spielende sah es nicht so aus, als würden die Bayern das Spiel gewinnen. Umso größer ist die Freude nach dem Abpfiff.

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