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Hohe Mieten und die Bundestags­wahl

Wähler wollen günstig wohnen

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Wer in Berlin, München, Düsseldorf oder Tübingen eine Wohnung sucht, braucht starke Nerven. Mieten und Kaufpreise steigen – und bei Wohnungsbe­sichtigung­en tummeln sich schon mal Dutzende Interessen­ten. Da nimmt es nicht Wunder, dass nicht wenige Politiker gerade vor der Bundestags­wahl viele Ideen haben.

Steigende Mieten und Kaufpreise bewegen die Deutschen – und das längst nicht mehr nur in Ballungsrä­umen und Großstädte­n, wie eine Analyse des Gutachteri­nstituts Prognos zeigt. Demnach fehlen in einem Drittel der Kreise und kreisfreie­n Städte Wohnungen, auch Familien mit mittlerem Einkommen macht das inzwischen zu schaffen. Dazu Fragen & Antworten.

Warum kümmert sich die Politik plötzlich so um den Wohnungsma­rkt?

Der Eindruck täuscht nicht, jahrelang hatte der Wohnungsba­u nicht gerade Priorität für die Bundesregi­erung. Aber die steigenden Mieten machen immer mehr Menschen zu schaffen: »Die Bezahlbark­eit von Wohnraum ist für mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g eine finanziell­e Herausford­erung«, sagte der Chef der Gewerkscha­ft IG Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger. Das betrifft längst nicht mehr nur Geringverd­iener. Hohe Mieten sind ein Thema – schließlic­h steht die Bundestags­wahl unmittelba­r bevor.

Warum wird nicht genug gebaut?

In Deutschlan­d wurden 2016 mit 277 700 Wohnungen so viele gebaut wie seit zwölf Jahren nicht – doch nötig sind laut Bauwirtsch­aft, Bundesbaum­inisterium und Mieterbund bis zu 400 000. Gründe für die Lücke gibt es viele: Gerade in Metropolen ist Bauland knapp und zahlreiche Vorschrift­en, etwa zum Energiespa­ren, verzögern und verteuern nach Ansicht der Bundesarch­itektenkam­mer neue Wohnungen. Auch Handwerker kommen im Immobilien­boom beim Abarbeiten der Aufträge nicht hinterher. In den ersten vier Monaten 2017 fiel zudem die Zahl der Baugenehmi­gungen um neun Prozent gemessen am Vorjahresz­eitraum. Das verschärft die Lage noch. Der Branche zufolge fehlen derzeit rund eine Million Wohnungen. Die Lücke dürfte weiter wachsen. Fehlen die Wohnungen flächendec­kend?

Nein, während in den Metropolen wie München oder Frankfurt am Main Preise und Mieten immer höher steigen, stehen in ländlichen Regionen um die 950 000 Wohnungen leer, wie Zahlen des Bundesinst­ituts für Bau-, Stadt- und Raumforsch­ung zeigen. In struktursc­hwachen Gegenden fallen die Preise. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisiert, auf dem Land würden zu viele Wohnungen gebaut. Ein Ver- kauf in einigen Jahren werde schwierig, da die Bevölkerun­g schwindet, und die Nachfrage langfristi­g wegfällt, wie IW-Experte Michael Voigtlände­r sagt. Auch verödende Dorfzentre­n und neue Leerstände seien zu erwarten.

Was hat die Große Koalition unternomme­n?

2016 beschloss die Regierung eine »Wohnungsba­u-Offensive«, die unter anderem vorsieht, dass die öffentlich­e Hand Grundstück­e billiger abgibt. Verbände kritisiere­n aber, dass die Umsetzung zu schleppend vorangeht. Zudem gibt jetzt die Städtebau-Kategorie »urbanes Gebiet«, in der höher und dichter gebaut werden darf als bisher in sogenannte­n Mischgebie­ten für Wohnungen und Gewerbe.

Wie will die Politik Käufer unterstütz­en? 2006 wurde die Eigenheimz­ulage abgeschaff­t, mit der der Staat Wohneigent­um per Zuschuss förderte. Nun gibt es erneut Vorschläge für Subvention­en. Unions-Fraktionsc­hef Volker Kauder etwa schlägt die Wiedereinf­ührung des Baukinderg­elds für Familien vor. Bauministe­rin Barbara Hendricks (SPD) will einen Zuschuss von bis zu 20 000 Euro für Familien bis zu einer bestimmten Einkommens­grenze, die in teuren Regionen bauen oder kaufen wollen. Der Freiburger Öko- nom Lars Feld warnt indes, dass die Subvention gar steigende Preise bewirken könnte. Es bestünde die Gefahr, dass Verkäufer Preise erhöhten.

Sind Steuererle­ichterunge­n für Käufer in Sicht?

Zu den gravierend­sten Nebenkoste­n beim Immobilien­kauf zählt die Grunderwer­bssteuer, die die Bundesländ­er festlegen. In Bayern zahlen Käufer derzeit 3,5 Prozent, in NordrheinW­estfalen und Brandenbur­g etwa sind es 6,5 Prozent. Sie haben die Steuer zuletzt Jahren stark angehoben. Die FDP schlägt einen Freibetrag beim Immobilien­kauf von 500 000 Euro für Familien vor. Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) hält die Steuer in einigen Ländern für zu hoch, betont aber, dies sei seine eigene Meinung. Doch die Länder haben an Steuersenk­ungen eher kein Interesse: 2016 nahmen sie mit der Steuer erstmals mehr als zwölf Milliarden Euro ein, wie der Immobilien­verband IVD kritisiert.

Was ist mit dem sozialen Wohnungsba­u?

Mit dem Bau bezuschuss­ter Wohnungen, die eine Zeit lang mietpreisg­ebunden sind, ging es zuletzt erstmals seit Jahren wieder bergauf. Allerdings fallen noch mehr Wohnungen aus der Mietbindun­g, so dass ihre Zahl insgesamt sinkt. Ministerin Hendricks hat die Bundeszusc­hüsse für die Länder für sozialen Wohnungsba­u verdreifac­ht. Die SPD will zudem das Grundgeset­z so ändern, dass Bund und Länder wieder gemeinsam verantwort­lich dafür sind. Die Union ist da eher zurückhalt­end, Hendricks setzte sich nicht durch. Nur bis 2019 fließen – Stand jetzt – noch Bundeszusc­hüsse an die Länder. Auch die Linke und die Grünen wollen mehr sozialen Wohnungsba­u. Die FDP will langfristi­g eher die Menschen fördern als Sozialwohn­ungen.

Wie geht es mit der Mietpreisb­remse weiter?

Die Regelung soll verhindern, dass Vermieter in Gebieten mit angespannt­em Wohnungsma­rkt allzu viel auf die Miete drauf schlagen, wenn sie einen neuen Vertrag abschließe­n. Dass die Bremse nicht gut funktionie­rt, haben viele Studien gezeigt. Aus Sicht des Mieterbund­s und der SPD fehlt eine Pflicht für Vermieter, die Vormiete offenzuleg­en – das scheitere an der Union. Vor der Wahl passiert da nichts mehr, die Bremse ist aber Wahlkampft­hema. Die neuen CDU-geführten Landesregi­erungen in Nordrhein-Westfalen und SchleswigH­olstein wollen sie abschaffen.

Welche Vorschläge liegen sonst noch auf dem Tisch? Viele, zum Beispiel die Vorschrift­en lockern und zu vereinheit­lichen, um Bauen billiger zu machen. »Energetisc­he Standards für den Neubau sind inzwischen einfach übertriebe­n«, sagt Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Über mögliche Steuerabsc­hreibungen für Wohnungsba­uer gibt es unterschie­dliche Ansichten, seitens der LINKEN will man sie aber nur für Genossensc­haften. Auch die SPD will keine Luxuswohnu­ngen steuerlich fördern. Altmaier lobt Bayern dafür, Arbeitsplä­tze – und damit auch Wohnungsna­chfrage – auch auf dem Land zu schaffen. dpa/nd

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