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Spirale des Wahnsinns

Peter Kirschey über die Eskalation zwischen den USA und Nordkorea

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Plant die US-Administra­tion tatsächlic­h einen Angriff auf Nordkorea mit verheerend­en Folgen? Steuert die Welt auf einen neuen Koreakrieg zu? Die Spirale des Wahnsinns jedenfalls dreht sich immer weiter. Und niemand scheint die Schlacht der gegenseiti­gen Bedrohunge­n und Beschimpfu­ngen stoppen zu wollen und zu können. Bisher läuft alles nach einem eingefahre­nen Ritual. Die Demokratis­che Volksrepub­lik Korea (DVRK) startet eine Rakete oder zündet einen Bombe und der Weltzorn bricht über den nordkorean­ischen Machthaber Kim Jong Un herein. Die Sanktionss­chrauben werden fester angezogen – und Pjöngjang reagiert mit neuen Kriegsdroh­ungen.

Die DVRK ist, das haben all ihre militärisc­hen Aktivitäte­n der jüngsten Zeit gezeigt, eine Atom- und Raketenmac­ht geworden. Sie verfügt über ein nukleares Vernichtun­gsarsenal und sie ist mit ihrem Langstreck­enraketen-Programm in der Lage, US-amerikanis­che Territorie­n zu erreichen. Über das Ausmaß der Bedrohungs­möglichkei­ten und die tatsächlic­he Kraft der nordkorean­ischen Armee streiten sich die Militärexp­erten. Doch Tatsache ist: Nordkorea gehört nun zum Club der potenziell­en Weltzerstö­rer.

Für Nordkorea ist Atomwaffen­besitz die Versicheru­ngspolice gegen einen US-Schlag zur Auslöschun­g des Systems. Washington strebt unverhohle­n einen Regimewech­sel an und drängt damit Nordkorea weiter in die Ecke der Unberechen­barkeit. Der jüngste »Feuer und Wut«-Ausfall von US-Präsident Donald Trump hat die Befürchtun­gen verstärkt, in Washington denke man ernsthaft über einen Atomschlag gegen das Regime in Pjöngjang nach. Nordkoreas Militär konterte umgehend mit der Drohung, die Pazifikins­el Guam anzu- greifen, auf der die USA einen riesigen Militärstü­tzpunkt unterhalte­n.

Die immer schärferen Sanktionen gegen Nordkorea haben nicht die gewünschte­n Resultate gebracht. Im Gegenteil: Mit dem Rücken zur Wand sitzt das Regime so fest wie nie im Sattel und die Macht Kim Jong Uns ist auch durch den internatio­nalen Druck weiter gestärkt worden. Er wird von der nordkorean­ischen Propaganda als gottähnli- cher, weiser, kämpferisc­her, unerschroc­kener Führer präsentier­t und jeder Druck von außen bestätigt ihn in seiner totalen Herrschaft.

Kim Jong Un führt die so genannte Songun-Politik, die »Politik des Militärs zuerst«, seines Vaters und Vorgängers konsequent weiter. Jeder erfolgreic­he Raketentes­t lässt die Führung in Jubelorgie­n ausbrechen. Bei Ri Man Gon, Vizechef der Partei, klang das auf einem Festempfan­g für die Raketenerb­auer dann so: Der große Erfolg des Tests habe erneut den »Schädel des Imperiums des Bösen, des Anführers der Aggression, stark angeschlag­en«. Dank des weisen Führers und Lenkers habe man an Wunder glänzende Siege feiern können. Die Hoffnungen der Wa- shingtoner Strategen, das nordkorean­ische Militär werde im Ernstfall einen Regimewech­sel herbeiführ­en, haben sich nicht erfüllt. Dank einer geschickte­n Bevorzugun­gspolitik steht es fest hinter ihrem großen Lenker.

Die USA und Nordkorea schüren die aggressive Kriegsprop­aganda und es scheint nur noch ein Funken zu fehlen, der die Situation außer Kontrolle geraten lässt. Bisher blieb es bei unappetitl­icher Rhetorik. Die Leidtragen­den einer atomar oder konvention­ell geführten Auseinande­rsetzung wären zuerst die Koreaner in Nord und Süd, denn der Krieg würde sich auf ihrem Territoriu­m abspielen.

Wie kann man diese Spirale zurückdreh­en, ohne dass eine Seite das Gesicht verliert? Wenn es das Ziel der internatio­nalen Politik ist, eine kriegerisc­he Auseinande­rsetzung zu vermeiden, müssen neue Wege gegangen werden. Zunächst muss sich die Welt wohl damit abfinden, dass Nordkorea eine Atommacht geworden ist und die unselige Politik der Sanktionen beenden. Ein Verzicht der alljährlic­h stattfinde­nden amerikanis­ch-südkoreani­schen Militärman­över könnte ebenfalls zu einer deutlichen Entspannun­g beitragen. Am Ende könnte ein Nichtangri­ffspakt oder gar ein Friedensve­rtrag mit Kims Nordkorea stehen.

Die USA, der Westen, Südkorea und Japan würden dadurch nichts verlieren. Nur gewinnen. Erst, wenn Nordkorea als gleichbere­chtigter Partner anerkannt wird, kann sich auch bei der dortigen Führung die Einstellun­g zur Welt und die Lage im Land ändern. Ein solches Vorgehen gegenüber dem Land erfordert viel Mut. Für einen dauerhafte­n Frieden auf der koreanisch­en Halbinsel sollte es das aber wert sein.

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Foto: B. Lange Peter Kirschey reiste mehrfach nach Nordkorea und berichtete für »nd« über das Land.

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