nd.DerTag

Propaganda wiederholt sich

Tobias Riegel über die Reaktion auf Christian Lindners Krim-Vorstoß

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Viele kluge Beschwerde­n wurden seit 2014 über den medialen Umgang mit der Sezession der Krim geäußert: dass dieser Umgang regelmäßig die entscheide­nde erste Hälfte der Geschichte verschweig­t (den nationalis­tischen Putsch in Kiew). Dass er die aktuelle Zufriedenh­eit der Krimbewohn­er, die es keineswegs »zurück« zur Ukraine treibt, außer Acht lässt. Dass die zum »schweren Völkerrech­tsbruch« hochdramat­isierte (unblutige) Krim-Sezession im Vergleich zu den Hunderttau­senden Toten der westlichen Angriffskr­iege geradezu ein pazifistis­cher Akt war, der weitere ernste Eskalation­en verhindert­e – doch diese Sichtweise­n perlen an den großen deutschen Redaktione­n noch immer ab: Eine Welle an russenfein­dlichen, sachlich falschen und moralisch grotesk verdrehten Kommentare­n folgte auf Christian Lindners nicht mal besonders klugen, sondern nur der Realität Rechnung tragenden Vorschlag eines pragmatisc­hen Umgangs mit der Krim-Causa. Das Versagen der Leitmedien in den letzten Tagen wäre schockiere­nd – wenn man an die aktuell von »Spiegel« bis »Bild«, vom Deutschlan­dfunk bis zur »Welt« fast inhaltsgle­ich formuliert­e Propaganda für die Fortführun­g der Heuchelei und der europafein­dlichen Sanktionen nicht schon gewöhnt wäre. Gute Nachricht: Viele Menschen (außerhalb großer Medien) winken ab, die Kampagne hat an Kraft eingebüßt. Hässlich ist sie dennoch.

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