nd.DerTag

Vorsintflu­tlich

Uwe Kalbe über die verbreitet­e Methode des Verbots von Unliebsamk­eiten

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Das Mittelalte­r ist nicht so weit entfernt, wie es scheint. Horden bettelnder Kinder machten die Straßen unsicher. Mehr als damals mag das Wohlbefind­en der Stadtobere­n heute vom Anblick bettelnder Menschen berührt sein, zumal, wenn erneut Kinder darunter sind. So sehr, dass das Betteln von Kindern in Dresden nun verboten werden soll. Andere Städte lieferten dafür die Vorlage, aber im Falle Dresdens wirkt der Schritt besonders fragwürdig. Denn jeder weiß, dass er sich gegen Romafamili­en richtet, die den Stadtobere­n ein Dorn im Auge sind. Vor dem Hintergrun­d einer verbreitet­en Fremdenfei­ndlichkeit im Land verfestigt die Landeshaup­tstadt den Eindruck, dass das Mittelalte­r in Sachsen omnipräsen­t ist.

Es ist angebracht, wenn der Wohlstand beim Anblick von Bettlern den Atem anhält, es ist eine natürliche Regung, peinlich berührt zu sein. Und Eltern, die ihre Kinder betteln schicken, müssen niemandem als Vorbild dienen. Sei die Not noch so groß. Doch darüber zu urteilen ist leichter, als sich in ähnlicher Lage zu behaupten. Und den Anblick eines Problems zu verbieten, ist so unpolitisc­h wie mittelalte­rlich. Es erinnert frappieren­d an die Bekämpfung von Schleusern statt Fluchtursa­chen. Oder an den Druck auf Arbeitslos­e im Hartz-System, die mit vielerlei Schikanen für eine Situation bestraft werden, an der sie nicht schuld sind.

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