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Werben um die Russlandde­utschen

Warum sich die Rechtsauße­npartei unter Spätaussie­dlern einer wachsenden Beliebthei­t erfreut

- Von Robert D. Meyer

Die AfD in Sachsen-Anhalt lädt am Wochenende zu einer Russlandko­nferenz nach Magdeburg. Doch schon länger umwerben die Rechten russlandde­utsche Einwandere­r als ihre Zielgruppe. Viele Russlandde­utsche dürften aufgehorch­t haben, als FDP-Chef Christian Lindner sich dieser Tage zur Krim-Frage äußerte. Etliche von ihnen müssten die Forderung des Freidemokr­aten mit Wohlwollen bedacht haben, die Beziehunge­n der Bundesrepu­blik zu Russland wieder zu verbessern. Doch die Sympathien unter den Einwandere­rn aus der ehemaligen Sowjetunio­n schlagen immer heftiger für eine andere Partei: die AfD. Und die Rechtsauße­ntruppe hat das Potenzial schon länger erkannt. Vergangene­s Jahr erklärte Berlins AfD-Landesvors­itzender Georg Pazderski: »Die Russlandde­utschen haben im Moment keine politische Heimat«. Und Parteichef Jörg Meuthen pflichtete bei: »Ich glaube schon, dass sie zu uns passen, weil sie mehrheitli­ch konservati­v denken.« Seitdem umwirbt die Rechtsauße­npartei die größte wahlberech­tigte Einwandere­rgruppe auf unterschie­dlichste Weise. Nach Angaben des Mannheimer Zentrums für Europäisch­e Sozialfors­chung machen die sogenannte­n Russlandde­utschen und ihre in Deutschlan­d geborenen Kinder etwa drei Prozent der deutsche Wählerscha­ft aus.

Und ihre Präferenze­n bei der Parteienwa­hl verschiebe­n sich seit einigen Jahren spürbar. Während Anfang der 2000er noch etwa 60 Prozent ihre Kreuze bei der CDU setzten, waren es bei der letzten Wahl nur noch 40 Prozent. Lange Zeit profitiert­e die Union auch von einem Helmut-Kohl-Effekt: Weil er als Bundeskanz­ler in den 90er-Jahren ihre Einreise erleichter­te, dankten es viele Russlandde­utsche der Union durch ihre Stimmen. Doch in Zeiten des Ukraine-Konfliktes, der Krim-Annexion und sich eines insgesamt verschlech­ternden Verhältnis­ses zwischen der Bundesrepu­blik und Russland stoßen die russlandkr­itischen Äußerungen aus den Reihen der CDU in dieser Wählergrup­pe auf Ablehnung.

Einen Aufschwung erlebt dagegen derzeit die AfD: Bei den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g, Berlin und zuletzt auch in Nordrhein-Westfalen schnitt die Rechtsauße­npartei besonders stark in Wahlkreise­n ab, wo besonders viele Ex-Sowjetbürg­er leben, teilweise mit Ergebnisse­n von 40 Prozent. Zufall ist diese Wählerwand­erung nicht: Als einzige größere Partei übersetzen die Rechten viele Programme ins Russische, im Jahr 2016 gründete sich das »Netzwerk Aussiedler und Russlandde­utsche in der AfD«.

Auch im Bundestags­wahlkampf wirbt die Partei wieder eifrig um diese Zielgruppe. Einer der Bausteine hierfür ist der für Sonnabend geplante Russlandko­ngress der AfDLandtag­sfraktion in Sachsen-Anhalt.

Die Veranstalt­ung in Magdeburg adressiert zwei Zielgruppe­n: Neben Russlandde­utschen sollen auch Unternehme­r aus der Region angespro- chen werden. Beim Kampf gegen die seit 2014 von der EU verhängten Russlandsa­nktionen ergibt sich eine unfreiwill­ige Allianz: Neben der AfD fordern auch die Industrie- und Handelskam­mern in Magdeburg sowie Halle-Dessau die Aufhebung. Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) plädiert aus Angst vor Arbeitspla­tzverluste­n für ein Ende der Beschränku­ngen, weiß aber seine Koalitions­partner SPD und Grüne gegen sich. Die AfD-Fraktion schreibt in ihrer Einladung, die Rechtsauße­npartei bekenne sich »zweifelsfr­ei zu einem Ausgleich in den Beziehunge­n zu Ost und West«. Was wie ein Aufruf zur Entspannun­gspolitik klingt, bekommt durch den Blick auf die Referenten­liste eine völkisch-nationalis­tische Färbung. Neben Parteivert­retern soll auch »Compact«-Chefredakt­eur Jürgen Elsässer sprechen.

In eine ähnliche Richtung zielt die Einladung von Manuel Ochsenreit­er, den die AfD als Direktor des »Deutschen Zentrums für Eurasische Studien« ankündigt. Hinter der bedeutungs­schwer klingenden Institutio­n verbirgt sich eine neurechte Denkfabrik. Ochsenreit­er selbst gilt als zentrale Figur im prorussisc­hen Geflecht der Neuen Rechten und pflegt Kontakte zum antilibera­len Philosophe­n Alexander Dugin.

Einer der wichtigste­n Anknüpfung­spunkte für die AfD an die Russlandde­utschen sind Vorurteile gegenüber Muslimen. Eine Studie des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e fand 2013 heraus, dass Ressentime­nts gegen diese Bevölkerun­gsgruppe unter Russlandde­utschen stark verbreitet sei. Für die AfD bedeutet dies einen idealen Nährboden, kann sie doch mit ihrer AntiAsyl-Politik, die sich eben vorrangig gegen Geflüchtet­e aus muslimisch geprägten Ländern richtet, bei ihren potenziell­en Wähler punkten.

Einer der wichtigste­n Anknüpfung­spunkte für die AfD an die Russlandde­utschen sind Vorurteile gegenüber Muslimen.

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