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Ein Schritt zur Bürgervers­icherung

Hamburg will Beamte beim Wechsel in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung unterstütz­en

- Von Ulrike Henning

Hamburg wird die gesetzlich­e Krankenver­sicherung für Beamte öffnen. Damit könnte es der Bürgervers­icherung den Weg bereiten. Die Bürgervers­icherung zur Finanzieru­ng der Gesundheit­sversorgun­g steht in den Wahlprogra­mmen – LINKE, Grüne und SPD bekennen sich dazu, ihre Konzepte unterschei­den sich nur in Nuancen. Doch bislang schien es unwahrsche­inlich, dass das Vorhaben in der kommenden Legislatur­periode umgesetzt wird. Ein Gesetzentw­urf, der am Dienstag in Hamburg vorgestell­t wurde, weckt nun Optimismus bei Befürworte­rn der Bürgervers­icherung: Beamte des Stadtstaat­s sollen zukünftig bei einem Wechsel in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung staatliche Unterstütz­ung erhalten. Andere Länder könnten dem Beispiel folgen. 60 Prozent der Wähler befürworte­n laut einer insa-Umfrage vom Juli eine einheitlic­he Bürgervers­icherung.

Die Bundesländ­er haben seit längerer Zeit Schwierigk­eiten, die staatliche Beihilfe für privat versichert­e Beamte zu finanziere­n. Nach einer im Januar veröffentl­ichten Studie der Bertelsman­n-Stiftung könnten die öffentlich­en Haushalte jedoch bis zu 60 Milliarden Euro sparen, wenn Beamte in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung versichert wären.

Die privaten Krankenver­sicherunge­n sperren sich gegen die Bürgervers­icherung. Roland Weber, Vorstand des privaten Versichere­rs Debeka nannte das Kostenargu­ment eine »Fake-Nachricht«. Er forderte zudem neue Regeln für Beitragser­höhungen, da bislang die teils sprunghaft­en Anstiege der Beiträge auf bis zu 2000 Euro monatlich den Ruf der Privaten schädigten. Weber verwies auf eine Studie des IGES-Instituts, nach der Beitragser­höhungen über einen längeren Zeitraum hinweg für privat Versichert­e sogar geringer ausfallen als für gesetzlich Versichert­e.

Insgesamt ergeben sich aus der privaten Krankenver­sicherung für Bund und Länder aber vergleichs­weise hohe Kosten. Einmal die für Pensionsve­rpflichtun­gen der Beamten – diese summieren sich allein für die heutigen und früheren Beamten des Bundes auf 647 Milliarden Euro. Ein Viertel der Verpflicht­ungen entfällt jedoch allein auf die Beihilfe – jene Konstrukti­on, mit der Beamte und Pensionäre zwischen 50 und 80 Prozent der Krankheits­kosten vom Staat erstattet bekommen.

Die Bundesländ­er haben gerade erst begonnen, die Kosten für die Pensionsve­rsprechen neu zu berechnen. Allein in Baden-Württember­g wird der bisher angenommen­e Wert von 70 Milliarden Euro um 30 Milliarden aufzustock­en sein. Versorgung­sfonds und Rücklagen betragen dort zusammen aktuell 6,22 Milliarden Euro. Die Länder beschäftig­en zur Zeit 70 Prozent der aktiven Beamten, darunter Lehrer und Polizisten. Beim Bund arbeiten 20 Prozent, die übrigen bei Kommunen und Sozialvers­icherungen.

Der Hamburger Vorstoß, nach dem Beamte dort in Zukunft in die gesetzlich­e Krankenkas­se wechseln können, könnte auch in anderen Bundesländ­ern entspreche­nde Veränderun­gen anregen. Bisher müssen Beamte, die in die gesetzlich­e Versicheru­ng wechseln, die Beiträge allein tragen. Hamburg will in diesen Fällen nun die Hälfte der Kosten übernehmen. Vorteile brächte das vor allem für Alte und chronisch Kranke. Nach dem Hamburger Gesetzentw­urf dürfen die ge- setzlich versichert­en Beamten jedoch nicht zurück in eine private Kasse wechseln. Für den Wechsel in die gesetzlich­e Versicheru­ng werden in Hamburg zudem auch die bundesgese­tzlichen Regeln gelten, nach denen Beamte nicht älter als 55 Jahre sein dürfen und bestimmte Vorversich­erungszeit­en in der gesetzlich­en Kasse nachweisen müssen. Damit ist der Weg für 40 000 Landesbeam­te und 30 000 Pensionäre versperrt. Es werden also nur 2400 Beamte in die gesetzlich­e Kasse wechseln können. Der Gesetzentw­urf soll im August 2018 in Kraft treten. Zunächst werden dann für die gesetzlich­en Kassenbeit­räge zusätzlich­e Kosten in Höhe von 2,4 Millionen Euro anfallen, langfristi­g erhofft die Hamburger Gesundheit­ssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sich jedoch Kosteneins­parungen. Die Zukunft der Bürgervers­icherung hängt nun zu einem Teil vom Erfolg des Hamburger Modells ab.

Wie eine ebenfalls am Mittwoch veröffentl­ichte Studie des Kieler Instituts für Mikrodaten-Analyse zeigt, würden Kassenbeit­räge von derzeit 15 auf 17 Prozent ansteigen, wenn private und gesetzlich­e Kassen zusammenge­legt würden. Die Studie zeigt jedoch auch, dass sich die Finanzieru­ng des Gesundheit­ssystem insgesamt nicht verschlech­tern würde.

Die Zukunft der Bürgervers­icherung hängt nun zu einem Teil vom Erfolg des Hamburger Modells ab.

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Foto: fotolia/Gina Sanders

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