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»Die Hölle auf Erden«

Oxfam legt Bericht zur Lage in Libyen vor und fordert sichere Fluchtkorr­idore / EU-Kommissar warnt vor neuer Welle von Ankünften von Migranten

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Die Hilfsorgan­isation Oxfam warnt die EU davor, Migranten an der Fluch aus Libyen zu hindern – und fordert, sichere Korridore nach Europa zu schaffen.

Rom. Die Hilfsorgan­isation Oxfam hat die EU-Mitgliedss­taaten davor gewarnt, Menschen an der Flucht aus Libyen zu hindern. »Der Versuch der Europäisch­en Union sicherzust­ellen, dass Menschen Libyen nicht verlassen können, gefährdet mehr Männer, Frauen und Kinder, missbrauch­t oder ausgebeute­t zu werden«, heißt es in einem Bericht, den Oxfam am Mittwoch veröffentl­ichte. In diesem wird die Situation in Libyen als »Hölle auf Erden« beschriebe­n. Der Report basiert auf Befragunge­n von 158 Migranten, die in Sizilien ankamen und von Vergewalti­gungen, Zwangsarbe­it und Folter in dem Bürgerkrie­gsland berichten. Geführt wurden die Gespräche Oxfam zufolge zwischen Oktober 2016 und April 2017.

Seit dem Sturz von Muammar alGaddafi 2011 unter maßgeblich­er militärisc­her Beteiligun­g von westlichen Staaten herrscht Chaos in dem nordafrika­nischen Staat. Drei Regierunge­n kämpfen um die Macht. Migranten versuchen, von Libyen aus mit Hilfe von Schleppern in Booten nach Europa zu gelangen. Mehr als 95 000 im Mittelmeer Gerettete kamen in diesem Jahr bereits in Italien an. Die EU versucht, den Flüchtling­sstrom einzudämme­n. Allen voran will Italien die Libyer bei der Bekämpfung der Migration unterstütz­en. Vom UN-Sondergesa­ndten in Libyen kam dafür am Dienstag Unterstütz­ung. Bei einem Besuch in Rom würdigte der UN-Diplomat Ghassam Salame die Zusammenar­beit zwischen Italien und Libyen als »sehr konstrukti­v«. Jedes Land habe das Recht, seine Grenzen zu kontrollie­ren. Die Kooperatio­n mit Nachbarsta­aten sei dafür der beste Weg, sagte der Libanese.

Die italienisc­he Marine unterstütz­t die libysche Küstenwach­e dabei, Flüchtling­e abzufangen, bevor sie in internatio­nalen Gewässern angelangt sind. Dieses Vorgehen stößt aber auch auf Kritik: Hilfsorgan­isationen, wie jetzt Oxfam mit dem Bericht, werfen Rom vor, die Flüchtling­e in ein zu instabiles Land zurückzusc­hicken.

Berichte von Migranten machen allerdings deutlich, dass Libyen ein Land bleibe, in dem Menschenre­chte systematis­ch von Menschenhä­ndlern, Schmuggler­n, Milizen und kriminelle­n Banden verletzt würden und in dem Menschen unter unzumutbar­en Bedingunge­n lebten, mahnt Oxfam. Mit Ausnahme einer Frau hätten alle Befragten (31) sexuelle Gewalt erfahren. Ein Großteil der Frauen und Männer hätten mit ansehen müssen, wie andere Migranten gefoltert oder getötet worden seien. Vielen sei regelmäßig Essen und Wasser verwehrt worden.

Viele Menschenre­chtsorgani­sationen befürchten, dass Migranten, die nach Libyen zurückgebr­acht werden, wieder Gewalt ausgesetzt sind und unter menschenun­würdigen Umständen in Lagern leben müssen. Für die Vielzahl an Kriminelle­n in dem Land seien Migranten »bares Geld«, hatte Ärzte ohne Grenzen die Situation unlängst beschriebe­n.

»Die EU muss sichere Korridore schaffen, über die diese Menschen nach Europa kommen können und ein faires und transparen­tes Asylverfah­ren erhalten«, so Roberto Barbieri, Geschäftsf­ührer von Oxfam Italien.

Derweil warnte der EU-Migrations­kommissar trotz sinkender Ankunftsza­hlen von Migranten in Italien vor einer möglichen neuen Welle von Ankünften. Der italienisc­hen Zeitung »La Stampa« (Mittwoch) sagte Dimitris Avramopoul­os: »Alle wissen, dass im Norden Libyens viele auf die Weiterreis­e warten.« Die Situation sei sehr schwierig und gefährlich«, sagte er und mahnte: »Nur gemeinsame­s Handeln kann den Zustrom stoppen.«

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