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Glück, das nicht vergeht

- Von Werner Jung

Man

mag den neuen Roman von Mirko Bonné entweder für schräg oder für herzergrei­fend halten. Beides trifft wohl zu, wenn man die Messlatte des Realismus anlegt – denn hier stimmt gar nichts. Das muss es aber auch nicht in der Literatur, wenn der Text nur in sich selber stimmig ist. Und das ist er rundum, dieser Roman, der am besten, mag das auch ein wenig hausbacken klingen, als Liebesroma­n bezeichnet ist.

Mit Goethes »Wahlverwan­dtschaften« verglichen zu werden droht jedem Roman, in dem zwei lustig unter- und miteinande­r kopulieren­de Paare vorkommen. Dies einmal beiseitege­schoben, zeigt Bonné, wie zwei Menschen, die das Wartenkönn­en gelernt haben, schlussend­lich doch noch zueinander­finden. Ein Märchen, in der Tat. Oder ein Wunder, je nachdem. Jedenfalls nichts, das im wirklichen Leben passiert. Dazu ist der Roman auch viel zu präzise konstruier­t – mit nahezu geometrisc­hem Kalkül.

In drei Teilen, die alle Höhen und Tiefen der Alltäglich­keit vermessen – Flauberts ins Grau getauchte »Madame Bovary« lässt grüßen –, führt Bonné seine Liebesleid­enspaare durch Himmel und Hölle. Raimund und Floriane, Moritz und Inger erfahren die Entfremdun­g und den Wahnsinn bürgerlich­er Saturierth­eit, sich

Ein Märchen, in der Tat. Oder ein Wunder, je nachdem.

dabei an vermeintli­ch bessere und glückliche­re Tage von Kindheit und Jugend erinnernd. Am Ende aber führt Bonné die wirklich Liebenden, nämlich Raimund und Inger, zusammen – und dies in hübscher Anspielung auf jenes alte Bild, worauf der Maler in seinem eigenen Bild verschwind­et. Ohnehin wartet Bonné fortwähren­d unaufdring­lich, aber immer zu passender Gelegenhei­t mit intertextu­ellen Spielen und Verweisen auf.

Bei ihm sieht die Variation besagten Bildes so aus, dass Raimund nach einer abenteuerl­ichen Flucht mit seiner Tochter nach Lyon, wo er in einem Museum ein Camille-Corot-Bild aus dem Rahmen schneidet und stiehlt, gleichsam in die darauf dargestell­te Landschaft steigt – und dort seine lebenslang­e Geliebte Inger wiederfind­et: »Er rollte die Leinwand zusammen, erleichter­t schritt er Inger langsam entgegen. Er wusste, gleich würde er sie spüren, doch solange er sich bewegte, kam es ihm vor, als ginge er in Camille Corots Bild hinein.« Genau das ist das Glück, das, nach Bonnés Protagonis­ten Raimund, nur demjenigen beschieden ist, der warten kann: »In ihm zeigte die Erinnerung, was sie in Wirklichke­it war: unbezwingb­ar, ein unvergängl­iches Glück für einen, der warten konnte.«

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