nd.DerTag

Sozialer Farbklecks

Guido Speckmann zu einem scheinbar sinnvollen Steuervors­chlag aus Paris

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In der Regel wird der französisc­he Präsident als soziallibe­ral charakteri­siert. Doch mit seinen ersten Reformen zeigte Macron, dass er mit der Vorsilbe »sozial« wenig, mit dem Präfix »neo« schon eher etwas im Sinn hat. Sein Spar- und Kürzungsku­rs trifft besonders Einkommens­schwache und ist Hauptgrund für seine Verluste in den Umfragen. Vor der Sommerpaus­e schlägt sein Finanzmini­ster nun vor, Online-Riesen wie Airbnb oder Facebook stärker zu besteuern. Deren Steuerverm­eidung ist in der Tat ein großes Problem. Insofern ist der Vorstoß zu begrüßen – zumindest auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich aber wohl um nicht mehr als einen sozialen Farbklecks auf der neoliberal­en Grundfarbe.

Denn: Wie ernst nimmt die Regierung Macron diese Vorschläge? Kürzlich erst unternahm sie das Gegenteil der Besteuerun­g von Großkonzer­nen: Sie legte die Finanztran­saktionsst­euer aufs Eis. Nach den Ferien wird überdies ein anderer Konflikt ins Zentrum rücken: die Reform des Arbeitsrec­hts. Und die konterkari­ert den jüngsten Vorschlag. Eine kurzfristi­g aufgenomme­ne Änderung ermöglicht es Konzernfil­ialen in Frankreich, Beschäftig­te zu entlassen, selbst wenn der Mutterkonz­ern im Ausland Profite macht. Scheinbar will sich Macron mit seinem Vorstoß über die Sommerpaus­e nur etwas Ruhe an der Umfragefro­nt verschaffe­n.

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