nd.DerTag

Breites Bündnis mobilisier­t gegen Heß-Marsch

Neonazis wollen zum Todestag des Hitler-Stellvertr­eters am 19. August in Spandau aufmarschi­eren

- Von Johanna Treblin

Rund 500 Nazis sind für eine Demonstrat­ion zum 30. Todestag von Rudolf Heß angemeldet. Antifa, Gewerkscha­ften und Wohlfahrts­verbände mobilisier­en breit zu Gegenprote­sten. Gegen den geplanten Aufmarsch von Rechtsextr­emisten am 19. August in Spandau ruft ein breites Bündnis von Wohlfahrts­verbänden und Gewerkscha­ften zu Gegenprote­sten auf. Antirassis­tische Initiative­n mobilisier­en bereits seit mehreren Wochen vor allem in sozialen Medien. Auch LINKE, Grüne und SPD »mobilisier­en auf allen Kanälen«, wie Sebastian Koch, Landesgesc­häftsführe­r der Linksparte­i, am Freitag sagte. »Wenn das eine große Demonstrat­ion wird, dann sollen möglichst viele Menschen dagegen auf die Straße gehen.«

500 Teilnehmer sind zur rechten Demonstrat­ion angemeldet. Anlass ist der 30. Todestag des Nazis Rudolf Heß. Die Mobile Beratungss­telle gegen Rechtsextr­emismus (mbr) geht von mindestens 1000 Teilnehmer­n aus. Der Hitler-Stellvertr­eter habe eine »hohe Symbolkraf­t« für Neonazis.

Heß hatte sich am 17. August 1987 mit 93 Jahren im alliierten Kriegsverb­rechergefä­ngnis in Spandau das Leben genommen. Er war 1946 in den Nürnberger Kriegsverb­recherproz­essen zu lebenslang­er Haft verurteilt worden. Anlässlich seines Todestages waren Neonazis jahrelang an seinem Grab im bayerische­n Wunsiedel, wo das Grab seiner Eltern war, aufmarschi­ert. Wegen seines NS-verharmlos­enden Charakters wurde der geplante Aufmarsch 2005 erstmals verboten. In der sogenannte­n Wunsiedel-Entscheidu­ng bestätigte das Bundesverf­assungsger­icht die Rechtmäßig­keit des Verbots. Das Grab wurde 2011 aufgelöst.

Neonazis behaupten, Heß sei ermordet worden. Die Demonstrat­ion ist daher unter dem Motto »Mord verjährt nicht! Gebt die Akten frei – Recht statt Rache« angemeldet. Die mbr geht davon aus, dass im Aufruf bewusst kein Bezug auf das Wirken von Heß genommen wird, um keine Angriffsfl­äche für ein mögliches Verbot der Veranstalt­ung zu bieten.

Im Rahmen der Mobilisier­ung sind in den vergangene­n Tagen an verschiede­nen Orten in Berlin und Brandenbur­g gefälschte Fahndungsp­lakate aufgetauch­t. Mit Logo und Schriftzug des Berliner Polizeiprä­sidenten werden Hinweise zu zwei »englischen Mördern« erbeten. Die Berliner Senatsverw­altung für Inneres erklärte die Aushänge für eine Fälschung. Nach Medienberi­chten wurden in einige Plakate Glassplitt­er und Rasierklin­gen eingearbei­tet, um das Entfernen zu erschweren.

Anmelder des Marsches ist nach Informatio­nen des »Tagesspieg­el« Christian Häger. Die Mobile Beratungss­telle gegen Rechtsextr­emismus hält die Informatio­n für glaubwürdi­g. Häger ist Vorsitzend­er des NPD-Kreisverba­nds Mittelrhei­n in RheinlandP­falz. Er soll zudem eine Führungsfi­gur des ehemaligen »Aktionsbür­os Mittelrhei­n« gewesen sein, eine Vernetzung­splattform der militanten Freien Kameradsch­aften. Wegen dieser Aktivitäte­n stand er bis vor kur-

Stellungna­hme der Innenverwa­ltung

zem in Koblenz vor Gericht. Der Prozess zog sich fast fünf Jahre hin, bis er Ende Mai 2017 wegen überlanger Prozessdau­er eingestell­t wurde.

Die Berliner Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­st*innen und Antifaschi­sten (VVN/BdA) forderte Anfang August das Verbot des geplanten rechtsextr­emen Aufmarschs am 19. August in Spandau. Eine Sprecherin der Innenverwa­ltung sagte dazu dem »nd«: »Wir lehnen rundherum ab, wofür am 19. 8. in Spandau auf die Straße gegangen werden soll. Jede Geschichts­klitterung von Rechts gegenüber der Vergangenh­eit ist ungehörig und wird von uns verurteilt.« Die Versammlun­gsfreiheit sei aber ein Grundrecht. »Klar für uns ist auf jeden Fall, dass durch entspreche­nde Auflagen jegliche Verherrlic­hung der Person Rudolf Heß und oder des Naziregime­s untersagt und unterbunde­n wird.«

Gegen den Aufmarsch und für Gegenprote­ste mobilisier­en bereits seit Wochen verschiede­ne Initiative­n. Die Antifa Nordost veröffentl­ichte ein Video mit Aufnahmen von Rudolf Heß – unter anderem seinen Satz »Ich bereue nichts« aus den Nürnberger Prozessen –, Bildern von Nazi-Aufmärsche­n und Auschnitte­n aus dem Horrorfilm »Dead Snow«, in dem Köpfe von SS-Soldatenzo­mbies mit Kettensäge­n abgetrennt werden. Der Kommentar dazu: »Tote haben nicht zu laufen!«.

Das Bündnis für ein weltoffene­s und tolerantes Berlin, in dem unter anderem mehrere Wohlfahrts­verbände, der DGB und der Landesspor­tbund zusammenge­schlossen sind, mobilisier­t breit unter seinen Mitglieder­n, an den Gegenprote­sten ab 11 Uhr am Bahnhof Spandau teilzunehm­en. Anmelder der Demonstrat­ion unter dem Motto »Keine Heldenvere­hrung von Nazikriegs­verbrecher­n in Spandau und anderswo« ist die Spandauer Regionalgr­uppe der VVN/BdA.

»Jede Geschichts­klitterung von Rechts gegenüber der Vergangenh­eit ist ungehörig und wird von uns verurteilt.«

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