nd.DerTag

Kalte Worte zum Mauerbau

Ines Wallrodt über den 13. August, Flüchtling­e und doppelte Maßstäbe

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Thomas de Maizière hat eine besondere Botschaft zum 56. Jahrestag des Mauerbaus: Seid hart gegen Flüchtling­e. Eine Entlastung des Gewissens liefert der Innenminis­ter mit: So wollten es Recht und Gesetz. Gesagt hat er das selbstvers­tändlich nicht bei einer Gedenkvera­nstaltung für die Opfer des DDR-Grenzregim­es. Die Doppelmora­l wäre dann doch zu auffällig geworden. Hier das mahnende Gedenken an ein System, das Menschen mit Gewalt am Fortgang hinderte, das Flüchtende einsperrte und auf sie schoss. Dort eine Grenze, militärisc­h gesichert, an der Flüchtling­e im Meer ertrinken. In einem Fall werden Fluchthelf­er als Freiheitsh­elden gefeiert, im anderen per se als Kriminelle verfolgt. Damals trieben Unfreiheit, die Liebe oder auch nur Konsumsehn­sucht Menschen in die Flucht. Keinen Deut schlechter sind heute die Gründe derer, die sich einem überfüllte­n Boot anvertraue­n, in Lkw verstecken oder unter Güterzügen festklamme­rn. Doch aus der Geschichte gelernt wird nur, wenn es ins Weltbild passt.

Die DDR wollte mit Schießbefe­hl und Stacheldra­ht ihre Bürger davon abhalten, die Grenze gen Westen zu überwinden. Europa lässt Flüchtling­e im Mittelmeer ertrinken, um andere abzuschrec­ken. Der Mechanismu­s ist bestürzend ähnlich. Konsequent­e Abschiebun­g ist nur die andere Seite dieses unmenschli­chen Grenzregim­es.

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