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Selbstsich­er in die vierte Amtszeit

Bei ihrem Wahlkampfa­uftakt in Dortmund redet Angela Merkel über vieles, ihr SPD-Herausford­erer ist ihr dabei nur wenige Sätze wert

- Von Sebastian Weiermann, Dortmund

Angela Merkel beginnt die heiße Wahlkampfp­hase beim Arbeitnehm­erflügel der CDU. Zufriedenh­eit und Optimismus ist die Botschaft der Kanzlerin. Fast hätte sie vergessen, zum Wahlkämpfe­n aufzurufen. Nachdem Martin Schulz vor gut sechs Wochen in der Dortmunder Westfallen­halle das Wahlprogra­mm der SPD vorgestell­t und den Wahlkampf eingeläute­t hatte, folgte am Samstag die Kanzlerin mit einem Auftritt in Dortmund. Während Schulz und die SPD die große Halle mit Tausenden Zuschauern für ihren Wahlkampfa­uftakt nutzten, genügte Merkel eine kleinere, mit gerade einmal eintausend Zuschauern, um sich aus dem Sommerurla­ub zurückzume­lden.

Ins Ruhrgebiet hatte die Christlich-Demokratis­che Arbeitnehm­erschaft (CDA) die Kanzlerin eingeladen. Der NRW-Arbeitsmin­ister KarlJosef Laumann ist Vorsitzend­er der Arbeitnehm­er in der CDU. Nach der Landtagswa­hl wurde er Minister in der neuen schwarz-gelben Koalition. Auch der Dortmunder Bundestags­abgeordnet­e, Innenpolit­iker Thorsten Hoffmann, ist Mitglied der CDA. Eine Wiederholu­ng der Schulz-Show lieferte die CDU nicht. Die Veranstalt­ung stand unter dem Motto »Politik trifft Praxis«. Vor dem Auftritt von Angela Merkel hatten die Besucher eine Stunde Zeit, um an den Ständen verschiede­ne Themen zu diskutiere­n. Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister und Spitzenkan­didat der NRW-CDU, Hermann Gröhe, stand für »Gesundheit und Pflege« Rede und Antwort, an einem anderen Stand ging es um »Mitbestimm­ung und Arbeit 4.0«. Merkel läutete die heiße Wahlkampfp­hase so ein, wie ihr Kritiker vorwerfen, den ganzen Wahlkampf zu führen. Eine kleine Veranstalt­ung, Wohlfühlat­mosphäre. Hätte Merkel sich mit einer großen Kundgebung in eine Innenstadt begeben, Proteste wären nicht ausgeblieb­en. Vor der Halle in Dortmund standen nur 30 Anhänger der rechtspopu­listischen AfD und beschimpft­en Merkel als »Meineid-Kanzlerin«. In die Halle kam nur, wer sich vorher bei der CDU angemeldet hatte. Merkel scheint es auszureich­en, nur die erweiterte CDU-Basis zu mobilisier­en.

Karl-Josef Laumann durfte auf die Kanzlerin einstimmen. Das tat er ganz in Merkels Sinn. »Es ist gut, in Deutschlan­d leben zu dürfen«, war das Fazit seiner Rede. In den letzten Jahren habe man viel für die Arbeitnehm­er getan. Laumann verbuchte den Mindestloh­n, die gestiegene Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten und »Akzente gegen Zeitarbeit und Werkverträ­ge« als Erfolge der CDA. In den nächsten vier Jahren müsse man sich auf die Förderung von Familien konzentrie­ren. Auch das sei Arbeitnehm­erförderun­g. Ein wenig schien Laumann – wohl vom Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen motiviert – auch in Wahlkampfs­timmung. Er forderte, dass »bei dieser Bundestags­wahl mehr Mitglieder der DGBGewerks­chaften die Union wählen als die SPD«. CDU-Mitglieder sollten am Arbeitspla­tz dafür werben, dass man mit der Union mehr vom gut ausgehande­lten Tarifvertr­ag in die eigene Tasche bekomme, als wenn man die SPD wähle. Zum Schluss forderte Laumann die Besucher noch auf, Wahlkampf zu machen.

Das hatte Angela Merkel beinahe vergessen. Einige Sekunden nach ihrer Rede fiel es ihr dann doch ein, und sie sprach noch einmal ins Mikrofon. Sie habe »ganz vergessen« zu sagen, »die Wahl ist nicht entschiede­n« und »jede Stimme« zähle. Das muss sie betonen, denn in Umfragen liegt die Union mit knapp 40 Prozent deutlich vor der SPD. Zuvor hatte die Bundeskanz­lerin in ihrer mehr als halbstündi­gen Rede den Schwerpunk­t, wie zu erwarten bei einer CDA-Veranstalt­ung, auf das Thema Arbeit gesetzt. Sie lobte den Mindestloh­n als Verdienst der CDA. Er sei gut, weil er Menschen Sicherheit gibt. Tarifbindu­ng und Tarifauton­omie müssten dennoch gestärkt werden. In Bereichen, in denen es nicht »läuft, wie es soll«, etwa der Fleischind­ustrie, müsse man »Leitplanke­n« setzen. Die Union wolle bis 2025 Vollbeschä­ftigung erreichen.

Auch der Autoindust­rie widmete sich Merkel und tat dies gewohnt abwiegend. Mit den Abgasbetrü­gereien habe die Autoindust­rie »unglaublic­hes Vertrauen verspielt«. Man dürfe nun nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Aber die Autoindust­rie sei auch ein wichtiger Arbeitgebe­r, und man müsse schauen, wie man die »Über- gangsphase« des ökologisch­en Wandels gestalte. Merkel warnte die Autoindust­rie, nur ein Kutschbaue­r habe den Übergang zum Auto geschafft. Die deutschen Autobauer müssten zusehen, dass ihnen nicht ein ähnliches Schicksal drohe. Die Politik könne dabei nur helfen.

Beim Thema Auto attackiert­e Merkel das einzige Mal bei der Veranstalt­ung ihren Kontrahent­en Martin Schulz. Ansonsten hatte sie ihren SPD-Herausford­erer weiter ignoriert, getreu der Taktik, bloß nicht aufwerten. Dessen Vorschlag, europaweit eine Quote für Elektroaut­os einzuführe­n, gefällt ihr nicht. Wer solle die kontrollie­ren, wie lange würde es dauern, bis das EU-weit umgesetzt ist und weitere Fragen sind aus ihrer Sicht »undurchdac­ht«. »Erstmal verhandeln wir dann wieder ewig in Europa, wie die Quote nun sein soll. Und anschließe­nd: Was machen wir denn, wenn sie nicht eingehalte­n wird«, sagte Merkel. Im gleichen Atemzug bekam auch die CDU-Basis ihr Fett weg. Autonomes Fahren sei eine wichtige Zukunftste­chnologie, auch wenn man da »bei der CDU manchmal komisch angeschaut wird«.

Eine harte Wahlkampfr­ede hielt die Kanzlerin nicht. Ihre Botschaft ist: Deutschlan­d geht es gut mit mir, also lasst uns so weiter machen. Auch die Gesprächsr­unde im Anschluss mit Arbeitnehm­ervertrete­rn verlief ohne allzu kritische Nachfragen. Gefordert wurde Merkel in Dortmund nicht.

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Foto: dpa/Ina Fassbender

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