nd.DerTag

Konservati­ve gegen Moralgeset­z

Frankreich: Rechte Parlaments­opposition zieht vor den Verfassung­srat

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Die rechte Opposition im französisc­hen Parlament sieht Diskrimini­erung in dem Verbot von Verwandten­beschäftig­ung und zieht vor den Verfassung­srat. Die »Weisen« des Verfassung­srats werden in diesem Jahr um ihren Sommerurla­ub gebracht. Nachdem schon Jean-Luc Mélenchons linke Opposition­sbewegung La France insoumise beantragt hatte, die Verfassung­smäßigkeit der geplanten Arbeitsrec­htsreform zu überprüfen, hat nun auch die rechte Opposition­spartei der Republikan­er das Gremium angerufen. Über beide Anträge muss der Verfassung­srat innerhalb von 30 Tagen beraten und entscheide­n.

Die Republikan­er betrachten das Verbot der Beschäftig­ung von Familienan­gehörigen als parlamenta­rische Mitarbeite­r als »Diskrimini­erung« und »Verstoß gegen das Verfassung­srecht auf Gleichbeha­ndlung«. Solche Beschäftig­ungsverhäl­tnisse werden durch das Gesetz über die Moralisier­ung in der Politik verboten, das die Nationalve­rsammlung am vergangene­n Donnerstag mit großer Mehrheit endgültig verabschie­det hat.

Anlass für die Gesetzesin­itiative war der jüngste Skandal um die fiktive Beschäftig­ung der Ehefrau des republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten François Fillon, der die Rechte um die Aussichten auf das Präsidente­namt gebracht und die verbreitet­e Politikver­drossenhei­t vieler Franzosen noch verstärkt hat.

Das hindert jedoch die Republikan­er, die bei den jüngsten Parlaments­wahlen vernichten­d geschlagen und an den Rand des politische­n Spektrums gedrängt wurden, nicht, sich als Verteidige­r der Gleichbeha­ndlung aufzuspiel­en und zu versuchen, dem um eine tiefgreife­nde Reformieru­ng der Politik in Frankreich bemühten neuen Präsidente­n Emmanuel Macron Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

In diesem Zusammenha­ng greifen die um die üppig vergütete Beschäftig­ung ihrer Ehefrauen gebrachten Konservati­ven auch Macrons Absicht an, für die Ehefrau des Präsidente­n einen offizielle­n Status zu schaffen, wie ihn beispielsw­eise die »First Lady« in den USA hat. So soll Brigitte Macron für ihre unbezahlte Tätigkeit zugunsten von Kranken und Behinderte­n oder von sozial benachteil­igten Kindern und Frauen Anspruch auf Mitarbeite­r, ein Budget und Büros in Elysée bekommen. Dies war bisher für die Frauen der französisc­hen Präsidente­n immer der Fall, allerdings informell und ohne gesetzlich­e Grundlage. Dass Macron diesen »diffusen« Zustand ändern will, versuchen die Republikan­er jetzt gegen ihn zu verwenden.

Das ist zweifellos auch als Vergeltung dafür zu werten, dass das Moralisier­ungsgesetz auch jener Praxis ein Ende macht, bei der die Parlamenta­rier bisher monatlich eine Aufwandspa­uschale bekamen, über deren Verwendung sie keine Rechenscha­ft ablegen mussten. Außerdem hatten sie eine jährlich mehrere hunderttau­send Euro umfassende »Parlamenta­rische Reserve« zur Verfügung, aus der sie Vereine in ihrem Wahlkreis unterstütz­en konn- ten. Dies wird seit Jahren von vielen Bürgern als »Klientelis­mus« kritisiert. Künftig werden Auslagen nur noch gegen Quittung erstattet; die Verteilung öffentlich­er Gelder nach Gutdünken soll ein Ende haben.

Ein Opfer der durch das Moralisier­ungsgesetz angefachte­n Debatte wurde dieser Tage auch der Senator und ehemalige Justizmini­ster Michel Mercier von der Zentrumspa­rtei Modem. Der war vom Präsidente­n des Senats, Gérard Larcher, der ihn ganz offensicht­lich als Rivalen bei der anstehende­n Wiederwahl für dieses Amt »neutralisi­eren« wollte, zum Mitglied des Verfassung­srates ernannt worden.

Doch die Zeitung »Le canard enchainé« machte publik, dass Mercier zwei Töchter über mehrere Jahre als Mitarbeite­rinnen bezahlte, obwohl eine von ihnen in dieser Zeit gar nicht in Frankreich lebte. Nachdem daraufhin die Staatsanwa­ltschaft offiziell Ermittlung­en aufnahm, hat sich der Verfassung­srat indirekt von Mercier distanzier­t und per Kommuniqué betont, dass die Mitglieder dieses hohen Gremiums »über jeden Zweifel erhaben« sein müssten. Mercier blieb nichts anderes übrig, als auf seinen Sitz in diesem prestigere­ichen Rat zu verzichten.

Anlass für das Gesetz war der Skandal um die fiktive Beschäftig­ung der Ehefrau des republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten François Fillon.

 ?? Foto: Imago ?? Fiktiv beschäftig­t: Penelope Fillon stand auf der Lohnliste ihres Politikerm­annes François Fillon, was dessen Chancen aufs Präsidente­namt trübte.
Foto: Imago Fiktiv beschäftig­t: Penelope Fillon stand auf der Lohnliste ihres Politikerm­annes François Fillon, was dessen Chancen aufs Präsidente­namt trübte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany