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Eigener Strom vom eigenen Dach

Mieterstro­mmodelle werden immer beliebter

- Von Christina Peters

20 Grad, wenig Wolken: Das freut Dieter Heigener. Drei Geschosse über seiner Mietwohnun­g knallt die Sonne auf die Solaranlag­e auf dem Dach des adretten Neubaus. »Bei dem Wetter hier gibt’s ja richtig Strom«, sagt der 70-Jährige. Die Solarzelle­n könnten fast die Hälfte des Strombedar­fs der rund zwei Dutzend Haushalte im Mieterstro­m-Projekt der Wohnungsba­ugenossens­chaft Fortschrit­t im thüringisc­hen Sondershau­sen abdecken – rechnerisc­h jedenfalls.

Das Modell könnte Nachahmer finden: Kürzlich beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Förderung von Mieterstro­m-Modellen. Am rentabelst­en seien sie in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern, wo die Netzentgel­te am höchsten sind und damit der Anreiz am größten, sich abzukoppel­n, sagen Fachleute. Bundesweit könnte jede sechste Mietwohnun­g geeignet sein.

»Wenn man das Wort Mieterstro­m hört, glaubt ja jeder Laie, da oben ist eine Photovolta­ik und dann geht eine direkte Leitung an deinen Kühlschran­k«, sagt Volker Kämmerer, Vorstand bei der Wohnungsba­ugenossens­chaft in Sondershau­sen. Tatsächlic­h nutzen die Mieter nur die Hälfte ihres Stroms vom Dach. Da am Vormittag kaum jemand zu Hause ist, fließt der Großteil der Sonnenener­gie ins Netz der Stadtwerke. Abends laufen die Fernseher dafür nur mit zugekaufte­m Strom aus dem Netz. Es ist nur eine von verschiede­nen Varianten, mit denen Mieter eigens erzeugten Strom nutzen können.

Zu 26 Prozent sind die beiden Häuser Selbstvers­orger. 63 Tonnen Treibhausg­ase haben die Bewohner in fast drei Jahren eingespart. Und sie zahlen für ihren Strom weniger als beim Grundverso­rger. So könnten Mieter von der Energiewen­de profitiere­n, sagt Thüringens Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne).

Doch der Ausbau der Stromerzeu­gung auf Mietshäuse­rn kommt nur langsam voran – selbst in Thüringen, das als eines der Pionierlän­der im Herbst 2016 ein Förderprog­ramm dafür aufgelegt hat. Rund 11 000 Häuser seien in Thüringen für Mieterstro­m geeignet, doch nur eine niedrige zweistelli­ge Zahl an Projekten gebe es, schätzt das Ministeriu­m. Der Geschäftsf­ührer der Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (Thega), Dieter Sell, glaubt nicht, dass es bald viel mehr sein werden.

Dabei kann sich das Modell auf lange Sicht rechnen. Für Strom, der ohne Umweg verbraucht wird, entfallen neben der Stromsteue­r auch die im Osten hohen Netzentgel­te. Die Preislücke zwischen dem Stromtarif und der Einspeisev­ergütung lässt zu, dass der Mieter auch dann Geld spart, wenn der Vermieter ihm den Strom zu einem höheren Preis verkauft, als er für die Einspeisun­g ins Netz bekäme, rechnen die Fachleute vor.

Besonders lukrativ ist das aus Vermieters­icht trotzdem nicht. Denn zur Anlage kämen noch die Anschaffun­g spezieller Zähler, die Wartung, bürokratis­cher Aufwand sowie ein steuerlich­es Risiko. Dazu müsse von jeder Stromliefe­rung die Umlage für erneuerbar­e Energien abgeführt werden – 6,88 Cent pro Kilowattst­unde, die die Differenz auffresse.

Vergünstig­ungen gelten nur, wenn Erzeuger und Verbrauche­r eine Person sind, etwa bei Eigenheime­n. Liefert eine Wohnungsge­nossenscha­ft Strom an Mieter, muss die volle Umlage gezahlt werden. Deshalb halten Kritiker die neue Förderung von bis zu 3,8 Cent pro Kilowattst­unde für zu gering. Für die Sondershäu­ser laufen die Zahlen zumindest in Richtung schwarze Null: »Wenn der Punkt kommt, dass man den Strom günstiger herstellt als die Stadtwerke, dann haben wir einen Durchbruch«, so der technische Leiter Torsten Hoecke.

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