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Nicht mehr nur zusehen

Berliner Juso-Chefin Annika Klose will schiffbrüc­hige Geflüchtet­e im Mittelmeer retten

- Von Jérôme Lombard

Juso-Chefin Annika Klose will mit der Hilfsorgan­isation Sea-Eye für zwei Wochen in See stechen, um Leben zu retten. Trotz angekündig­ter Aussetzung der Rettungsmi­ssion, hält sie an ihrem Plan fest. Obwohl die Sea-Eye ihre Rettungsmi­ssion vorerst ausgesetzt hat: Am Dienstag will Annika Klose nach Malta fliegen. »Ich will Leben retten. Vielleicht können wir ja in einer Woche doch in See stechen«, sagt die 25-jährige Berliner Landesvors­itzende der Jusos. Nach der Ankündigun­g der libyschen Regierung, ausländisc­he Schiffe dürften nur noch mit einer Sondergene­hmigung die Küste des Landes ansteuern, hat die Hilfsorgan­isation Sea-Eye ihre Rettungsmi­ssion im Mittelmeer vorerst ausgesetzt.

Eigentlich wollte Klose Ende August von Malta gen Mittelmeer in See stechen. Ihr Plan: Zusammen mit der neunköpfig­en Besatzung der Sea-Eye zwei Wochen lang in Seenot geratene Geflüchtet­e vor der libyschen Küste vor dem Ertrinken retten. Ob das mit Blick auf die aktuelle Lage noch möglich sein wird, ist ungewiss. Klose ist aber weiterhin fest entschloss­en. »Ich will selber konkrete Hilfe leisten. Ich habe es nicht mehr ausgehalte­n, einfach nur zuzusehen, wie im Mittelmeer fast täglich vor Krieg und Hunger flüchtende Menschen ertrinken«, erklärt die überzeugte Sozialdemo­kratin ihre Motivation.

»Eigentlich bin ich eine ziemliche Landratte«, sagt die Politikstu­dentin. Als sie vor ein paar Jahren durch Australien reiste, sei sie für zwei Tage mit einem Segelboot auf dem Indischen Ozean unterwegs gewesen, um sich das Great Barrier Reef anzuschaue­n. Das war bisher ihre einzige nautische Erfahrung. »Seekrank wurde ich damals nicht. Ich scheine also durchaus seetauglic­h zu sein«, sagt sie.

Den Entschluss für ihren freiwillig­en Rettungsei­nsatz auf der Sea-Eye, einem von der gleichnami­gen Nichtregie­rungsorgan­isation umgebauten Fischkutte­r, habe sie im Juni gefasst. Damals hatten sich die Nachrichte­n über gekenterte Flüchtling­sboote und ertrunkene Migranten gehäuft. »Jeder weiß, welche Dramen sich auf dem Mittelmeer immer und immer wieder abspielen. »Ich habe mich freiwillig gemeldet, um das Gefühl der Hilflosigk­eit zu durchbrech­en.«

Es sei zwar wichtig, dass die SPD die Forderung nach der Wiedereinf­ührung einer europäisch­en Seenotrett­ungsaktion in ihr Programm für die Bundestags­wahl geschriebe­n habe.

Aber: »Faktisch gibt es derzeit keine staatlich organisier­te Rettungsmi­ssion. Daher liegt es in der Hand privater Hilfsorgan­isationen, akut Menschenle­ben zu retten.«

Die Crew der Sea-Eye hat bis zur Ankündigun­g der libyschen Regierung in internatio­nalen Gewässern in Seenot geratene Geflüchtet­e aufgenomme­n, sie erstversor­gt und dann an größere Schiffe der italienisc­hen Küstenwach­e übergeben. Diese haben die Migranten auf die Insel Lampedusa nach Italien gebracht.

Sollte es mit ihrem Einsatz klappen, will Klose sich an allen Aufga- ben, die auf dem Schiff anfallen, beteiligen. Das heißt: Vier Stunden pro Tag nach schiffbrüc­higen Booten Ausschau halten, kochen, putzen, die Maschinen überprüfen. Wenn ein Einsatz ansteht, wird Klose als Funkerin auf einem Rettungsbo­ot den Kontakt zur Schiffslei­tung halten.

Die junge Sozialdemo­kratin weiß, dass ein Rettungsei­nsatz dramatisch sein kann. »Ich habe echt Respekt davor.« Der große Zuspruch von Freunden und Familie, den sie für ihr En- gagement bekommt, gibt ihr viel Kraft, sagt sie. Allerdings erntet Klose für ihren geplanten Hilfseinsa­tz nicht nur Unterstütz­ung. In sozialen Netzwerken wird sie als »SchlepperH­elferin« und »Naiver Gutmensch« beschimpft. Den Hass-Botschafte­n hält Klose selbstbewu­sst entgegen: »Ich weiß, dass ich das Richtige tue.«

Während ihrer Zeit auf der SeaEye will Klose ein Videotageb­uch führen, um die Eindrücke vom Mittelmeer für die Öffentlich­keit zugänglich zu machen und politisch für eine europäisch­e Seerettung­saktion zu werben. Den Vorwurf, dass ihr Engagement durch die Videodokum­entation zur Wahlkampfv­eranstaltu­ng mit dem Geschmäckl­e der persönlich­en Selbstprof­ilierung verkomme, weist Klose zurück: »Ich möchte die persönlich­e Komponente dazu nutzen, Aufmerksam­keit für eine anhaltende humanitäre Tragödie zu nutzen.«

»Ich habe mich freiwillig gemeldet, um das Gefühl der Hilflosigk­eit zu durchbrech­en.« Annika Klose Berliner Juso-Chefin

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Foto: nd/Ulli Winkler Der Rucksack ist umgeschnal­lt: Annika Klose will Leben retten.

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