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Sachsens »Sonderweg« bei Pflege

Eine neue Datenbank erlaubt es, im eigenen Quartier nach geeigneten Angeboten zu suchen

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n haben einen gesetzlich­en Anspruch auf Beratung. Fast alle Bundesländ­er richten dazu Pflegestüt­zpunkte ein. In Sachsen geht man in dieser Sache andere Wege. Wer in der nordsächsi­schen Gemeinde Beilrode Pflegebeda­rf hat, kann im Umkreis von 20 Kilometern 176 Angebote finden: von der Begegnungs­stätte der Volkssolid­arität über eine mobile Fußpflege bis zum »Süptitzer Speiseserv­ice«. In Seiffen im Erzgebirge sind es immerhin 59 Angebote, darunter eine Seniorenwo­hngemeinsc­haft. Eine Fußpflege kommt allerdings bisher nicht ins Haus.

Derlei Auskünfte liefert eine neue, landesweit­e Datenbank, die jetzt ans Netz gegangen ist. Unter »www.pflege.sachsen.de« können sich Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n mit wenigen Klicks darüber informiere­n, wo es in der Nähe ihrer Wohnung Pflegeheim­e und ambulante Pflegedien­ste gibt, aber auch Einkaufs- und Mahlzeiten­dienste, Nachbarsch­aftshelfer oder Selbsthilf­egruppen. Insgesamt gibt es 7200 Einträge.

Die Datenbank ist Ausdruck eines Sonderwegs, den Sachsen beim Thema Pflege geht. Im Freistaat wie in der gesamten Bundesrepu­blik haben Pflegebedü­rftige seit 2009 einen gesetzlich­en Anspruch auf eine wohnortnah­e Beratung. In fast allen Bundesländ­ern wird dieser durch die Einrichtun­g von Pflegestüt­zpunkten umgesetzt. Diese seien »zentrale Anlaufstel­le für Hilfesuche­nde« und gleichzeit­ig der Ort, an dem pflegerisc­he, medizinisc­he und soziale Hilfsangeb­ote vermittelt werden, hieß es zur Erklärung in einer Broschüre des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums.

Derlei Pflegestüt­zpunkte existieren inzwischen bundesweit in großer Zahl; von bis zu 550 solcher Einrichtun­gen ist die Rede, verteilt in 14 der 16 Bundesländ­er. In Brandenbur­g etwa werden 19 Stützpunkt­e betrieben, Mecklenbur­g-Vorpommern hat zwölf solcher Anlaufstel­len im Land verteilt, in Rheinland-Pfalz sind es gar über 100. Zwei Bundesländ­er haben sich indes für eine andere Lösung entschiede­n: Sachsen und Sachsen-Anhalt. »Wir setzen auf die vernetzte Pflegebera­tung«, sagt die sächsische Sozialmini­sterin Barbara Klepsch (CDU). Das Konzept sei bereits 2009 entwickelt worden, betont die Ministerin – also bevor die Pflegestüt­zpunkte quasi erfunden wurden. Einen Wechsel zu dieser Struktur, bei der quasi Knotenpunk­te im Land verteilt werden, lehnte man nach reiflicher Überlegung ab. »Für uns ist der gesamte Freistaat wichtig«, formuliert es Klepsch. Sachsen-Anhalt zog 2010 mit einem ähnlichen Konzept nach.

Beim sächsische­n Ansatz arbeiten Landkreise und kreisfreie Städte mit anderen Beteiligte­n wie den Pflegekass­en zusammen. Deren größte, die AOK Plus, betreibt bereits seit 2008 ein Netz eigener Beratungss­tellen, in denen 2016 rund 27 700 Gespräche stattfande­n, sagt Claudia Schöne, Bereichsle­iterin Pflege bei der AOK. De- ren und die Angebote anderer Anbieter werden seit 2015 von Pflegekoor­dinatoren abgestimmt, von denen es in jedem Kreis mindestens einen gibt und deren Arbeit der Freistaat mit 520 000 Euro im Jahr finanziert. Mit der neuen Datenbank werden die Angebote nun übersichtl­ich aufbereite­t und leicht zugänglich gemacht – vorausgese­tzt, die Betroffene­n nutzen das Internet.

Die Nachfrage wird groß sein, sagt Dresdens Sozialbürg­ermeisteri­n Kris Kaufmann (LINKE) voraus. Allein in der Landeshaup­tstadt seien 15 000 Menschen pflegebedü­rftig, Tendenz stark steigend. Welche Hilfe und Unterstütz­ung benötigt wird, ist höchst unterschie­dlich. Die neue Datenbank erlaube es, im eigenen Quartier nach geeigneten Angeboten zu suchen. Sie sei gleichzeit­ig ein wichtiges Instrument für »Sozialplan­er«, sagt Kaufmann. Diese könnten örtliche Lücken im Netz der Pflegeleis­tungen aufspüren. Nachbarsch­aftshelfer etwa gibt es im Dresdner Stadtteil Johannstad­t immerhin 21. In Dürrhenner­sdorf in der Oberlausit­z dagegen findet sich auch in einem Umkreis von 20 Kilometern kein einziger.

Beim sächsische­n Ansatz arbeiten Landkreise und kreisfreie Städte mit anderen Beteiligte­n wie den Pflegekass­en zusammen.

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