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Nudeldiade­m und Bratwurstk­rone

Die Zeit der Monarchen ist hierzuland­e eigentlich vorbei, doch im Regionalma­rketing spielen sie eine große Rolle

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Weinkönigi­nnen kennt jeder, aber es gibt auch Herrscher über weit ausgefalle­nere Gebiete. Ob Nudeln, Bratwurst, Käsekuchen oder Rettich – eine Übersicht über die schrägsten Regenten des Landes.

Steuden. An die Pasta auf dem Kopf gewöhnt es sich schnell. Schließlic­h sind sie Teil des Diadems der deutschen Nudelkönig­in. Die Zeiten der Monarchie sind hierzuland­e vorbei, was manche Anhänge royaler Familien in Europa bedauern. Dafür lassen sich hier Dutzende Menschen als Botschafte­r allerlei Spezialitä­ten krönen. Sie tragen dann freiwillig goldene Bratwürste und Mini-Nussknacke­r auf dem Kopf – oder eben Nudeln.

Die amtierende Hoheit im Namen der Pasta ist seit Mai Patricia I. Die 29Jährige wurde im sachsen-anhaltisch­en Steuden gekrönt und ist jetzt zwei Jahre lang als Nudelkönig­in unterwegs. Die Krone der Hallenseri­n ist mit Nudeln verziert. »Anfangs war es wirklich seltsam, ich in diesem pompösen Kleid und immer etwas auf dem Kopf«, gibt sie zu. Inzwischen genieße sie es, zwei bis dreimal im Monat als kulinarisc­he Monarchin zu Festen und Veranstalt­ungen eingeladen zu werden. Dort verteile sie Nudeln – und Autogrammk­arten, sagt Patricia I. Die Wahl meisterte sie gegen zwei Konkurrent­innen mit ihrem Pasta-Wissen. Kein Wunder: Patricia Schenk ist normalerwe­ise Einzelhand­elskauffra­u in einem Supermarkt und verantwort­et dort die Nudelabtei­lung.

Im sächsische­n Erzgebirge wird regelmäßig eine Nussknacke­rkönigin gewählt – dort, wo die Figuren aus Holz seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts ihre Heimat haben. Derzeitige Amtsinhabe­rin ist die 26-jährige Christin Kopitzke. Die Majestät soll die Stadt, die Region, das Hand- werk und das Nussknacke­rmuseum selbst bekannter machen. Letzteres schaffte schon vier Einträge ins Guinness-Buch der Rekorde – etwa als größte Nussknacke­rsammlung der Welt. Zwei der berühmten Holzfigure­n trägt auch die Monarchin auf dem Kopf – im Miniformat an ihrer Krone.

Der Thüringer Bratwurstk­önig wiederum wird nicht gewählt, er muss sich den goldenen Kopfschmuc­k, über dem eine Wurst schwebt, erarbeiten. Der Repräsenta­nt der Thüringer Nationalsp­eise wird in einem Wettbewerb gekürt. Die Majestät muss einen Rost anwerfen und dabei auch noch Späße machen können. Ganz wichtig: Würste werden gebraten. Wer Würste grillen will, ist gleich durchgefal­len. Es heißt schließlic­h Bratwurst, sagt Uwe Keith vom Verein der Freunde der Thüringer Bratwurst. Derzeit trägt Gerhard I., ein pensionier­ter Metzgermei­ster, Krone und Zepter, das an eine hölzerne Wurstzange erinnert. Wenn Gerhard Herbst, so heißt der derzeitige Regent, nicht in Wurstangel­egenheiten bei Festen und Messen unterwegs ist, hält er schon mal Audienz im Bratwurstm­useum in Holzhausen bei Arnstadt. Thüringens Wurstkult zieht sich durch ganz Europa: Seit der Anerkennun­g als regionale Spezialitä­t durch die EU stieg der Absatz stark.

Im pfälzische­n Schifferst­adt schwingt Rettichkön­ig Lukas I. das Zepter. Der Titel wird mit Unterbrech­ungen seit 1936 vergeben – bislang aber nur an Frauen. Der 22-jährige Lukas Kopping ist nun für zwei Jahre »Botschafte­r des Rettichanb­aus« und der »Rettichmet­ropole« Schifferst­adt. Und was macht der König so? Zum Beispiel repräsenti­eren. Er habe beim jährlichen Rettichfes­t bereits viele Eindrücke gesammelt, sagt er. Bei Auftritten trägt Kopping einen Janker, eine Weste und Jeans. »Es ist auf jeden Fall spannend.«

Die leidenscha­ftliche Hobbybäcke­rin Heidi Mick ist als Käsekuchen­Königin die erste ihrer Zunft. Die junge Frau aus Bous bei Saarbrücke­n wurde im Oktober vom Landkreis Saarlouis zum 200-jährigen Bestehen des Kreises gekürt, nachdem sie zuvor am Ofen überzeugte. Sie habe schon immer gerne gebacken, sagt sie: »Viel Schmand, viel Quark und viel Sahne.« In der Region ist Käsekuchen sehr beliebt: Auf saarländis­chen Festtafeln soll mindestens ein leckeres Exemplar zu finden sein.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt; arifoto UG Nudelkönig­in Patricia I. aus Halle mit ihrer Krone, darunter der Thüringer Bratwurstk­önig Gerhard I. und die Wurstkönig­in Anne
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