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Bodenperso­nal am Fraport demonstrie­rt

Gewerkscha­ften befürchten Ausstieg aus Tarifvertr­ag

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Gegen eine drohende Verschlech­terung ihrer Arbeitsbed­ingungen wollen zahlreiche Bodendiens­tbeschäfti­gte des Frankfurte­r Rhein-Main-Flughafens am Montag vor dem hessischen Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nisterium in Wiesbaden demonstrie­ren. Anlass des Protestes ist die jüngste Entscheidu­ng des Ministeriu­ms in einem europaweit­en Ausschreib­ungsverfah­ren für einen Teil der Bodendiens­te am Airport. Dabei hatte der spanische Konzern Acciona, der bisher rund 1300 Beschäftig­te auf Rhein-Main hat, den Kürzeren gezogen und war der konkurrier­enden Wisag Aviation Service GmbH unterlegen.

Das vom Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir geführte Ministeriu­m beruft sich dabei auf eine europäisch­e Liberalisi­erungsrich­tlinie, die vorschreib­t, dass es an größeren Verkehrsfl­ughäfen für Bodendiens­te mehrere konkurrier­ende Anbieter geben muss. Acciona will sich mit dieser Entscheidu­ng nicht abfinden und hat inzwischen beim Hessischen Verwaltung­sgerichtsh­of eine Anfechtung­sklage eingereich­t. Diese Klage hat aufschiebe­nde Wirkung mit der Folge, dass der für die Übergabe der Aufträge von Acciona an Wisag vorgesehen­e Termin 1. November 2017 mit hoher Wahrschein­lichkeit nicht mehr eingehalte­n werden kann.

Zwar hatte Wisag Aviation-Chef Michael Wisser gegenüber regionalen Medien seine Bereitscha­ft erklärt, die komplette Acciona-Belegschaf­t per Betriebsüb­ergang und auf der Basis des mit ver.di abgeschlos­senen Tarifvertr­ags zu übernehmen. Für Gewerkscha­fter ist dies indes kein Grund zur Beruhigung. »Mit dieser Ankündigun­g ist noch kein Tarifvertr­ag ausgehande­lt. Hier hat Wisag sicher ganz andere Vorstellun­gen als wir«, heißt es in einer Veröffentl­ichung der Dienstleis­tungsgewer­kschaft. So könnten die Bestimmung­en des Tarifvertr­ags laut Gesetz ein Jahr nach der Übernahme von der Geschäftsl­eitung gänzlich in Frage gestellt werden, sofern bis dahin kein für den Betrieb gültiger Tarifvertr­ag zustande kommt.

Bodendiens­te an Verkehrsfl­ughäfen umfassen Arbeiten wie das Be- und Entladen der Flugzeuge, die Reinigung und das Betanken. Seit den 1990er Jahren drängen Lobby-Verbände und EU-Kommission hier auf eine Liberalisi­erung. »Damit ist eine riesige Lücke von bis zu 30 Prozent zwischen dem alten, existenzsi­chernden Standard, dem Tarifvertr­ag für den öffentlich­en Dienst, und den dann auf den Markt strömenden Billiganbi­etern mit Dumpinglöh­nen entstanden«, bilanziert die für Flughäfen zuständige ver.di Tarifsekre­tärin Katharina Wesenick. Mit dem Druck von Arbeitskäm­pfen und in mühsamen Haustarifv­erhandlung­en sei es ver.di bei sechs Unternehme­n bundesweit inzwischen gelungen, diese Lücke um acht bis 20 Prozent zu verringern.

»Da wir jedoch noch keinen Branchenta­rifvertrag haben«; so Wesenick, »gibt es immer noch Dienstleis­ter, die ihre Beschäftig­ten ohne Tarifvertr­ag mit Mindestlöh­nen abspeisen und sich damit einen Wettbewerb­svorteil verschaffe­n.« Zudem gebe es bei den Bodenverke­hrsdienste­n einen hohen Anteil von Leiharbeit und befristete­n Verträgen. Auch die oft sicherheit­sgefährden­de Unterbeset­zung sei für Beschäftig­te und Passagiere nicht länger zu verantwort­en, betont die Gewerkscha­fterin.

Gewerkscha­fter beklagen, dass mehr Wettbewerb zwischen Bodendiens­ten auf Flughäfen den Betriebsab­lauf hemme und Ressourcen verschwend­e. Eine zehnprozen­tige Lohnsenkun­g bei den Bodendiens­ten könne ein Flugticket um maximal 80 Cent verbillige­n, so Enrique Carmona vom Dachverban­d Europäisch­e Transporta­rbeiterför­deration (ETF).

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