nd.DerTag

Bruno Petersen (Berlin, 1957)

- Von Walter Kaufmann

Waren

es die Folterer der Gestapo? War es ein Unfall? Ich erfuhr nicht, wie er das eine Auge verloren hatte. Davon sprach er nicht. Er sprach auch nicht von seinem Wirken im Widerstand gegen die Nazis, noch davon, wie es zu der Verhaftung gekommen und was ihm bei den Verhören angetan worden war. Er war selbstlos, war zurückhalt­end, damals wie heute. Seine Tüchtigkei­t offenbarte sich im Erfolg des Verlages, den er leitetet: Immer mehr junge Leser griffen zu den Büchern, die dort erschienen.

Mir begegnete Bruno Petersen im Jahr ’55 bei den Weltjugend­festspiele­n in Warschau – ein schmächtig­er Mann, der leise sprach und stets aufmerksam zuhörte. Sein künstliche­s Auge fiel erst auf, wenn er zum Taschentuc­h griff, um es zu trocknen. Er zeigte Interesse an mir weniger wegen des Literaturp­reises, den ich in Warschau gewonnen hatte, sondern wegen dem, was er in mir sah. Er würde gern längeres von mir lesen, und da ich von weit her käme, wolle er sich dafür einsetzen, dass ich zum bevorstehe­nden Schriftste­llerkongre­ss in Ostberlin geladen werde.

Er fragte nach meinen Plänen und danach, wie er mich später erreichen könne – und wirklich, er erreichte mich. In Moskau, in Leningrad und in wieder Warschau, wohin ich nach einer Reise durch Russland zurückgeke­hrt war. Als wir uns in Berlin wiederbege­gneten und ich ihn im Verlag aufsuchte, hatte er meine Erzählunge­n über Kindheit und Jugend in Duisburg schon im Programm, aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von einem einfühlsam­en Übersetzer, der selbst Verleger war.

»Er sprach von Ihrem Buch, als hätte es der eigene Sohn geschriebe­n«, sagte er. Bruno Petersen lächelte entschuldi­gend, griff zum Taschentuc­h, wischte das künstliche Auge aus. Er erkundigte sich nach meinen Eindrücken vom Berliner Kongress, und als ich ihm sagte, ich sei seitdem im »Albrechtse­ck« nur ein paar Schritte vom Berliner Ensemble untergekom­men, nickte er. Er wusste es längst, schien all die Zeit über mich informiert gewesen zu sein.

Wenige Monate später trafen wir uns unweit des »Albrechtse­cks« im Restaurant »Ganymed« wieder. Dort legte er ein Signalexem­plar meiner Erzählunge­n auf den Tisch. »Ich bin hier, um das zu feiern«, sagte er. Dass ein Verleger eines meiner Bücher feierte, war neu für mich. Es war Balsam für die Seele, nichts weniger …

 ?? Foto: nd/Burkhard Lange ?? Walter Kaufmann, 1924 als Jizchak Salomon Schmeidler in Berlin geboren, floh 1939 nach England, lebte ab 1940 in Australien und kam 1956 in die DDR. Er arbeitete als Landarbeit­er, Straßenfot­ograf und Seemann. Kaufmann hat die Welt gesehen und das...
Foto: nd/Burkhard Lange Walter Kaufmann, 1924 als Jizchak Salomon Schmeidler in Berlin geboren, floh 1939 nach England, lebte ab 1940 in Australien und kam 1956 in die DDR. Er arbeitete als Landarbeit­er, Straßenfot­ograf und Seemann. Kaufmann hat die Welt gesehen und das...

Newspapers in German

Newspapers from Germany